Wer füllt die Töpfe, wer verteilt den Inhalt?

■ Den Hauptstadt-Kulturfonds wollen alle. Um seine Statuten wird heftig gerungen

Eines ist sicher: Die Zahlenspiele, die der Berliner Rat für die Künste in den letzten Monaten angestellt hat, setzen bei den zuständigen Politikern in Bonn und Berlin auf mehr guten Willen, als derzeit vorhanden ist.

Die Vorstellungen, wieviel Geld künftig aus Bonn nach Berlin fließen wird, um dort die Kulturszene mitzufinanzieren, klaffen auseinander. Für die nächsten fünf Jahre hat der Rat für die Künste einen Finanzbedarf von insgesamt 455 Millionen Mark errechnet. Im Hauptstadtvertrag mit dem Land Berlin dagegen ist festgelegt, daß der Bund in diesem Zeitraum nur 300 Millionen Mark überweist. Allerdings, so heißt es aus Bonn, könne man ab 1997 noch einmal neu verhandeln. Will der Rat für die Künste seine Kalkulationen durchsetzen, ist das auch nötig, wie sich am Beispiel des geplanten Hauptstadt-Kulturfonds deutlich zeigt.

Zwar herrscht inzwischen auf allen Seiten Einigkeit darüber, daß ein Teil der Bundeszuschüsse für die Berliner Kultur in einen Topf eingezahlt wird, aus dem „aktuell anstehende Projekte“ kurzfristig finanziert werden können, aber alle genaueren Modalitäten sind noch ungeklärt.

Fördermittel beantragen soll, so Schaubühnen-Direktor Jürgen Schitthelm, „potentiell jeder“ können, „auch freie Gruppen und kleine Institutionen“. Hauptsache, die Projekte versprechen eine „Qualität, die über die Grenzen der Stadt hinaus wirkt“. Wann eine solche Qualität erreicht ist, kann niemand genau definieren.

Ebenfalls ungewiß ist, wie der Hauptstadt-Kulturfonds ausgestattet sein wird. Der Rat für die Künste rechnet mit 10 Millionen Mark im kommenden Jahr, eine Summe, die bis ins Jahr 2002 auf 50 Millionen steigen soll. Aber es wird wohl erheblich weniger werden. Bleibt es bei den jetzigen Plänen, darf der Fonds 1996 etwa 3,2 Millionen verbuchen.

Doch nicht nur Bonn soll in den Kulturfonds einzahlen, sondern auch die Berliner Kulturverwaltung. Und die winkt ab: In den nächsten Jahren, so Ingolf Kern, Sprecher von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin, seien weitere Gelder für den Kulturfonds nicht vorgesehen. Da aber die Bildung der neuen Regierung in Berlin wohl auch die Neubesetzung des Kultursenators mit sich bringen wird, ist das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen.

Eine wesentliche Frage ist auch, wer über die Vergabe der Projektmittel entscheiden soll. Der Berliner Kulturrat will dafür eine „unabhängige und kompetente“ Jury einsetzen. Das bedeutet Kollisionskurs mit den politischen Interessen. Vertreter des Bundes haben bereits hinlänglich klar gemacht, daß sie nicht nur zahlen, sondern sich auch „in die Pflicht nehmen lassen wollen“. Auch die Berliner Kulturverwaltung möchte – wenn sie denn Geld geben sollte – sicher ein Wörtchen mitreden.

Trotz aller Unwägbarkeiten wird über einen potentiellen Zuwendungsempfänger bereits diskutiert. Als der Theaterregisseur Peter Stein, momentan noch in Salzburg unter Vertrag, im Frühsommer dieses Jahres andeutete, sein auf 30 Millionen Mark veranschlagtes „Faust“-Projekt in Berlin realisieren zu wollen, reagierte der amtierende Kultursenator begeistert. Wie das ehrgeizige Vorhaben bezahlt werden konnte, wußte Roloff-Momin auch schon: aus dem Hauptstadt-Kulturfonds.

Daß dessen Mittel damit auf Jahre hinaus für ein einziges Projekt verplant wären, schien ihn nicht zu stören. Und der Rat für die Künste hat seine Lektion in Sachen stiller Diplomatie gelernt. Über die Vergabe von Zuschüssen wolle man sich vorab nicht äußern, darüber entscheide allein die Jury. Ulrich Clewing