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Peres sucht religiösen Beistand

Die israelische Regierung verzichtet auf den Kampf gegen das geistige Umfeld des Rabin-Mörders. Statt dessen macht sie einen Rechtsruck  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Israels Regierung hat den Kampf gegen radikale jüdische Siedler und deren ideologisches Umfeld vorerst vertagt. Hatte es nach dem Mord an Premierminister Jitzhak Rabin noch so ausgesehen, als würde die neue Regierung von Schimon Peres jetzt massiv gegen jene rechten Kreise vorgehen, aus dem der Mörder, Jigal Amir, stammt, so ist dieser Eindruck mittlerweile weitgehend verwischt.

Die israelische Regierung, die jetzt schon den Wahlkampf des kommenden Jahres vor Augen hat und gleichzeitig gezwungen ist, sich den dringenden Aufgaben der Sicherheits- und Außenpolitik zu widmen, findet nicht die Zeit für die erforderliche gründliche Auseinandersetzung mit dem militanten jüdischen Fundamentalismus und seinen säkularen rechtsradikalen Alliierten. Dabei besteht ohne sofortigen Beginn der Trockenlegung des Sumpfes, der sich nach dem Mord aufgetan hat, die Gefahr weiterer Attentate. Sie könnten den demokratischen Staat stark beschädigen.

Aber statt dessen hofiert Peres' Arbeitspartei sogar Teile des religiösen Lagers. So ist Peres eifrig damit beschäftigt, die nationalreligiöse Partei (NRP) für die weiterhin schwache Regierungskoalition zu gewinnen. Die von Zvulun Hammer geführte NRP galt bisher als tragende Kraft der breiten rechts-messianischen Siedler- Lobby „Gush Emunim“. Seit dem Attentat möchte sie dieses Image loswerden und beteuert, mit dem Mord an Rabin rein gar nichts zu tun zu haben.

Mit dem Buhlen um den neuen Koalitionspartner öffnet sich die Arbeiterpartei nach rechts. Dort hofft sie eine breitere Unterstützung im bevorstehenden Wahlkampf und für die Friedenspolitik gegenüber den Palästinensern und Syrien gegenüber zu gewinnen.

Sprecher der Arbeitspartei schmeicheln den Siedlern

Die gegenwärtige Verwundbarkeit und Schwäche der rechten Opposition nach dem Mord an Rabin, das schlechte Gewissen oder mulmige Gefühl im religiösen Lager, der Wunsch der religiösen Parteien, sich für den kommenden Wahlkampf ein besseres Image zu verschaffen, machen es Peres leicht, den politischen Gegner zu spalten und die wiederentdeckte „traditionelle Partnerschaft“ der Arbeitspartei mit dem religiösen Lager zu erneuern.

Während sich die nach dem Mord kleinlaut, defensiv und gemäßigt gebende Opposition jetzt dazu verpflichtet, die bisherigen Abkommen mit den Palästinensern zu respektieren, läßt die Arbeitspartei durchblicken, daß wenigstens bis zu den Parlamentswahlen im kommenden Herbst kein israelischer Rückzug aus den verschiedenen besetzten Gebieten zu erwarten ist. Sprecher der Arbeitspartei geben neuerdings Erkärungen ab, die den Siedlern und den rechten Oppositionsparteien schmeicheln. So versprach der Minister im Ministerpräsidium, Jossi Beilin, unlängst, daß im Rahmen des Endphasen-Abkommens mit den Palästinensern die großen jüdischen Siedlungsblocks in der Westbank von Israel annektiert werden sollen. Der dem linken Bündnis Meretz angehörende Minister für Umweltschutz, Jossi Sarid, verglich diesen Plan mit früheren Vorhaben des Likud-Rechtsaußenpolitikers Ariel Scharon.

Beilins Äußerungen deuten an, daß die israelische Regierung auch in Zukunft keine größeren Siedlungsverschiebungen zulassen wird und die Entstehung eines palästinensischen Staates verhindern will. Die Siedlungen und ihre Ländereien sollen an Israel angeschlossen und so Teil des Kernlands werden. „Das ist ein Annexionsplan, der dem Enklavenprojekt Ariel Scharons in der Praxis sehr ähnlich sieht“, sagte Sarid und bedauerte, daß sich die Arbeitspartei bei ihren jetzigen politischen Entschlüssen vor allem von „wahlpolitischen Überlegungen leiten läßt“.

Nach Sarids Ansicht würde die permanente Anwesenheit großer jüdischer Siedlerenklaven in der Westbank zu ständiger Reibung und Konflikten zwischen Juden und Arabern führen. Ein solcher Plan sei ein sicheres Konfrontationsrezept und würde ein friedliches Nebeneinander von Israelis und Palästinensern unmöglich machen.

Die israelische Friedensbewegung „Peace Now“ kritisierte ebenfalls Beilins Annexionspläne und erklärte, daß Israel damit zwar zu einem Frieden mit sich selbst kommen könne, aber keineswegs zum Frieden mit den Palästinensern. Ein Frieden ohne die Evakuierung der meisten Siedlungen sei unmöglich, meint „Peace Now“.

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