Bill Clinton entdeckt den Rest der Welt

■ Der US-Präsident schwelgt genußvoll in seiner Außenpolitik. Wenn der Haushaltsstreit nicht mitten im Bosnien-Frieden noch alles durcheinanderbringt

Washington (taz) – Dublin, Belfast, Baumholder, Madrid. Kurz nach Hause, um die Koffer zu wechseln. Nächste Stationen: Paris, vielleicht sogar Sarajevo. US- Präsident Bill Clinton, der seinem Vorgänger George Bush im Wahlkampf 1992 einst genüßlich vorgeworfen hatte, er sei überall zu finden, nur nicht in den USA, hat die Vorzüge des Auslands entdeckt. Nach Angaben der Washington Post erwägt er, Mitte Dezember seinen zweiten Europabesuch innerhalb von zwei Wochen anläßlich der Unterzeichnung des Friedensvertrages für Bosnien in Paris mit einem Abstecher in die bosnische Hauptstadt zu krönen. Das Weiße Haus hat zwar vorerst dementiert, doch es ist ja noch Zeit.

Die Reiseplanung verrät, daß derzeit fast alles nach Wunsch und Plan des Weißen Hauses verläuft. Am letzten Sonntag unterzeichnete der Präsident den Bosnien- Einsatzbefehl für die ersten 700 US-Soldaten. Die einst lautstarke Opposition im US-Kongreß gegen die Entsendung von insgesamt 20.000 US-Truppen ist, wenn auch widerwillig, in Unterstützung umgeschlagen. Der Führer der Mehrheitsfraktion der Republikaner im Senat und aussichtsreichste Kandidat der Partei für die Präsidentschaftswahlen, Bob Dole, hatte der Militärmission Ende letzter Woche seinen Segen gegeben.

Zusammen mit John McCain, seinem republikanischen Amtskollegen aus Arizona, will Dole in den nächsten Tagen eine Resolution zur Abstimmung bringen, die Clintons Militärmission billigt. Um das Risiko für die US-Soldaten so gering wie möglich zu halten, müsse sich der Einsatz jedoch „strikt auf die militärischen Aufgaben“ des Dayton-Friedensabkommens beschränken. Gleichzeitig wollen Dole und McCain, die in der Vergangenheit beide für eine Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnische Regierung plädiert hatten, vom Weißen Haus die Zusicherung, daß die bosnische Armee hinreichend ausgebildet und aufgerüstet wird, um ein militärisches Gleichgewicht in der Region zu garantieren. Das ist auch – gegen den Protest einiger europäischer Regierungen – der Plan der Clinton-Administration. Unklar bleibt, wer das Training und die Waffenlieferungen ausführen soll. Es werden nach Angaben der US- Regierung jedenfalls nicht die US- Soldaten sein.

Patriotischer Schulterschluß

Mit Doles Einlenken ist Clintons Kalkül vorerst aufgegangen, wonach die innenpolitische Opposition gegen den Bosnien-Einsatz massiv schrumpft, wenn die ersten US-Soldaten erst einmal auf den Weg geschickt worden sind. Einem Präsidenten und der Truppe Steine in den Weg zu legen, wenn der Einsatz schon begonnen hat, halten Dole und McCain für unpatriotisch und damit unannehmbar. „Er hat eine Entscheidung getroffen, mit der ich nicht übereinstimme“, sagte Dole über Clinton. „Aber nun sind die Soldaten unterwegs und brauchen unsere Unterstützung.“

Auch im US-Repräsentantenhaus, das bereits zweimal gegen eine Truppenentsendung gestimmt hatte, ist eine neue Resolution in Arbeit. Sprecher Newt Gingrich, der derzeit unter Ermittlungen einer Ethik-Kommission wegen illegaler Wahlkampfspenden leidet, versicherte „starken Rückhalt für unsere Truppen“. Allerdings müsse das mit der Kritik an Clintons Bosnien-Politik in Einklang gebracht werden.

Trotzdem mußte Clinton schon einen ersten Preis bezahlen. Um die Finanzierung des Bosnien-Einsatzes nicht zu gefährden, unterzeichnete er letzte Woche das vom Kongreß vorgelegte Rüstungsbudget in Höhe von 243 Milliarden US-Dollar für das laufende Haushaltsjahr. Ursprünglich hatte das Weiße Haus die Vorlage mit der Begründung abgelehnt, sie gebe dem Pentagon mehr Geld, als dieses selbst verlangt habe. Die Vorlage enthält außerdem massive Restriktionen gegen Abtreibungen in Militärkrankenhäusern auf ausländischen US-Stützpunkten. Ursprünglich hatte Clinton auch darauf bestanden, daß ein Teil des Militärbudgets auf zivile Programme umverteilt werden müsse. Doch die republikanische Mehrheit im Kongreß ließ sich lediglich darauf ein, 1,5 Milliarden Dollar für den Bosnien-Einsatz zur Verfügung zu stellen.

Noch immer stecken Regierung und Kongreß in einer verbissenen Auseinandersetzung um die Haushaltspolitik und die Frage, ob und wie bis zum Jahr 2002 ein ausgeglichener Staatshaushalt herzustellen ist. Von dreizehn Bewilligungsgesetzen für das laufende Haushaltsjahr sind bislang erst sieben verabschiedet und vom Präsidenten unterzeichnet worden. Sollte es bis zum 15. Dezember nicht zu einer Einigung kommen, wäre der Bund erneut zahlungsunfähig und müßte wie schon im November zahlreiche Behörden und Ministerien schließen. Bill Clinton müßte seine Reisepläne dann wohl tatsächlich ändern. Andrea Böhm