Das Weimar-Verfahren – neue Unruhe vor Ort

■ Frankfurter Oberlandesgericht beschloß nach neun Jahren die Wiederaufnahme des Mordprozesses gegen Monika Weimar. Verhandlung im nächsten Frühjahr

Frankfurt/Main (taz) – In den tannengeschmückten Blumenkästen vor den Fenstern blinken Goldsterne. Mit der Weihnachtsruhe der Familie Weimar im osthessischen Röhrigshof-Nippe ist es seit gestern jedoch vorbei. Wie vor neun Jahren belagert wieder die Presse das Haus. Die Verwandten der als Mörderin verurteilten und am Montag aus dem Gefängnis entlassenen Monika Weimar leben noch immer in dem Haus, nahe der Abraumhalden des Kaliwerkes, das 1986 Schauplatz eines der spektakulärsten Mordfälle war.

Monika Weimar war Anfang 1988 wegen Mordes an ihren beiden Töchtern Karola (5) und Melanie (7) zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Sie habe, so das Fuldaer Landgericht, die Kinder erwürgt und erstickt, weil sie ihrem Liebesverhältnis zu einem amerikanischen Soldaten im Wege standen. Das Urteil hatte nach einem Verfahren, dessen öffentliche Begleitung zeitweilig einer Hexenjagd ähnelte, ebenso heftigen Beifall wie erbitterte Proteste ausgelöst. Monika Weimar beteuerte immer wieder ihre Unschuld und bezichtigte ihren Ehemann, Reinhard Weimar, der Tat.

Weder ihre Verwandten, die damals zu ihren Gunsten ausgesagt hatten, noch Ex-Ehemann Reinhard Weimar wollten sich bisher zu der Freilassung äußern, der eine Entscheidung des Frankfurter Oberlandesgerichtes (OLG) zugrunde liegt. Das OLG hatte das Fuldaer Urteil aufgehoben und damit in letzter Instanz entschieden, daß der Prozeß vor einem anderen Gericht wiederholt werden muß. Neu verhandelt wird jetzt im Frühjahr 1996 vor dem Oberlandesgericht in Gießen. Richter Wolfgang Frank begründete die Revisionsentscheidung damit, daß eine „Gesamtschau die ursprüngliche Urteilsfeststellung so erschüttert hat, daß genügend Anlaß gegeben ist, neu zu verhandeln“. Dem hatte sich auch der hessische Generalstaatsanwalt angeschlossen. Der Hamburger Revisionsanwalt Gerhard Strate hatte dem 1. Strafsenat unter anderem Zeugen präsentiert, nach deren Angaben Reinhard Weimar in den letzten Jahren mehrmals gesagt haben soll, er und nicht seine Frau habe die Kinder umgebracht. Außerdem legte Strate ein Fasergutachten vor, das zu einem anderen Ergebnis kam, als ein 1987 erstelltes des Landeskriminalamtes. Das war damals davon ausgegangen, daß die gelben Flusen auf einer Bluse, Monika Weimar als Täterin überführten.

Der Rechtsanwalt von Reinhard Weimar, Bernd Schneider, meldete sich schon kurz nach der Freilassung zu Wort. Er verwies darauf, daß sein Mandant auch in dem neuen Prozeß nicht der Beschuldigte sei. Außerdem ließ er durchblicken, daß Weimar, nach Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken, wieder bei seinen Eltern in einem Nachbarort lebt, möglicherweise gar nicht verhandlungsfähig sei. Heide Platen

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