Partei hü, Fraktion hott?

■ Grüne streiten um heutige Entscheidung zu Bosnien-Einsatz

Bonn(taz) – Die Linke in Parteiführung und Fraktion der Bündnisgrünen hat sich gestern weiter bemüht, im Bundestag ein Mehrheitsvotum der eigenen Abgeordneten für den Bosnien-Einsatz zu verhindern. Vor Beginn der entscheidenden Fraktionssitzung gingen grüne Realpolitiker davon aus, daß nach einer Freigabe der Abstimmung die Parlamentarier ungeachtet einzelner Kritikpunkte heute mehrheitlich für die Regierungsvorlage stimmen. Rund ein Dutzend Abgeordnete hatten aber schon vor der Sitzung gesagt, daß sie im Bundestag für eine militärische deutsche Beteiligung am Friedensabkommen stimmen wollen.

Ein Mehrheitsvotum für den Bundeswehreinsatz, warnte Fraktionssprecherin Kerstin Müller, „könnte einen Riß zwischen Teilen der Fraktion und der großen Mehrheit der Partei bedeuten“. Der Parteitag hatte am Wochenende einen Entschluß verabschiedet, in dem es heißt, „wir bitten“ die Fraktion „nicht zuzustimmen“. Müller bemühte sich darum, die Mehrheit der Abgeordneten wenigstens auf eine Enthaltung zu verpflichten. Der Fraktion lagen gestern Antragsentwürfe von Ludger Volmer sowie von Helmut Lippelt und Gerd Poppe vor. Beide lehnen ECR-Tornados, den sogenannten „Vorratsbeschluß“ und Kampfeinsätze der Bundeswehr ab. Lippelt und Poppe begrüßen aber „ein begrenztes militärisches, allein auf friedenserhaltende Maßnahmen ausgerichtetes Engagement“ der Bundesrepublik im Friedenspozeß. Den Poppe-Lippelt-Antrag, der in der Fraktion als mehrheitsfähig gilt, wird voraussichtlich trotzdem nicht in den Bundestag eingebracht. Da er als ein offener Bruch mit den Parteitagsbeschlüssen gilt, plädierten auch Parteilinke dafür, die Abstimmung lieber freizugeben.

Verteidigungsminister Rühe (CDU), der mit einer großen Mehrheit bei der Abstimmung rechnet, sagte, daß notfalls mehr als die geplanten 4.000 Soldaten der Bundeswehr nach Bosnien geschickt werden. mon