Lafontaine auf Platz eins gebucht

■ Scharping überläßt dem neuen SPD-Vorsitzenden bei einer möglichen Kanzlerwahl den Vortritt

Bonn (taz) – Für den Fall, daß der Bundestag den Bundeskanzler neu wählen muß, will Rudolf Scharping dem neuen SPD-Parteichef Oskar Lafontaine den Vortritt lassen. Das machte der SPD-Fraktionsvorsitzende gestern deutlich: „In diesem theoretischen Fall würde ich allenfalls versuchen, für jemand anderen eine Mehrheit zu finden.“ Es sei „eine klare Buchung“, daß dies der Parteivorsitzende wäre.

Der Kanzler kann aber nur neu gewählt werden, wenn gegen Amtsinhaber Helmut Kohl ein konstruktives Mißtrauensvotum ausgesprochen wird oder wenn es zu einer neuen Regierungskoalition kommt. Oskar Lafontaine könnte in solch einem Fall ähnlich wie 1966 der CDU-Politiker Kurt- Georg Kiesinger antreten, auch ohne Bundestagsabgeordneter zu sein.

Mit Blick auf die Spekulationen um ein Auseinanderbrechen der Regierungskoalition machte Scharping klar, daß die SPD dann für Neuwahlen plädiere, statt mit der CDU zu koalieren. „Ich habe immer gesagt, Neuwahlen sind besser als eine Große Koalition. Nur weil sich meine Position verändert hat, ändert sich doch nicht meine Meinung“, sagte Scharping.

Die von der Union angestoßene Neuwahldiskussion sei mehr als der Versuch einer Disziplinierung der FDP, sondern ein „deutlicher Hinweis auf den morschen Zustand der Koalition“ und die Sorge, „daß die Krankheit der FDP auf die Union übergreifen könnte“, meinte er. „Im Kern ist das aber immer die Frage, ob der dicke Mann im Kanzleramt will oder nicht, ob er sich traut oder nicht.“

Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt ist davon überzeugt, daß die Diskussion über Neuwahlen nur dazu diene, in Bonn eine Große Koalition zu installieren. „Wer jetzt über Neuwahlen spekuliert, will in Wahrheit die Große Koalition oder nimmt fahrlässig SPD-Grüne-PDS- Mehrheiten in Kauf“, sagte er dem Stern. nin