BVG-Novitäten im Wochentakt

■ BVG entwickelt endlich unternehmerische Fähigkeiten und verpachtet drei U-Bahnhöfe an privaten Investor. Der will die Bahnsteige für 25 Millionen Mark in Dienstleistungszentren verwandeln

Wer um die Gunst von Kunden buhlt, muß sich einiges einfallen lassen. Das haben endlich auch die Berliner Verkehrsbetriebe erkannt und überraschen die Fahrgäste mittlerweile fast im Wochentakt mit Novitäten: Am gestrigen Nikolaustag wurden in Bussen nicht nur Schokoladenweihnachtsmänner an die Kleinen verschenkt. Für die Großen wurde das erste „lebende BVG-Auskunftsbüro“ eröffnet. Im Eingangsbereich des U-Bahnhofs Turmstraße sitzen seit gestern drei BVG-Mitarbeiter in einem schicken Büro und befriedigen das „Informationsbedürfnis“ der Kunden, drucken „persönliche Fahrpläne“ und ersparen ihnen per Online-Verbindung zu ihren Abo-Konten den weiten Weg zur Zentrale im Lorenzweg.

Um den Kunden noch mehr Lauferei zu ersparen, hat die BVG nun den ganz großen Coup gelandet: Aus zugigen Bahnhöfen sollen in einer „Public-Private-Partnership“ schmucke Dienstleistungszentren werden. Nachdem die Beschwerdestelle in „Qualitätsservice“ umgetauft wurde, das Handy Einzug in die U 4 gehalten hat, Infotelefone vor Änderungen warnen, das Kursbuch als CD-ROM auf dem Markt ist und der U-Bahnhof Kleistpark per Infrarot und Lautsprecherbeschallung zum Nichtraucherbahnhof gemacht wurde, setzt der marode Verkehrsbetrieb nun auf privates Kapital.

Waren die U-Bahnhöfe Jannowitzbrücke, Lichtenberg und Rathaus Steglitz bisher „Orte der Abfertigung, die man schnellstmöglich hinter sich lassen möchte“, so die Selbstkritik der BVG, sollen sie sich in den nächsten zwei Jahren in „Bahnhöfe der Zukunft“ verwandeln. Am Dienstag abend wurden die Verträge mit einer Laufzeit von fünfundzwanzig Jahren unterzeichnet, von denen sich die BVG Gewinne verspricht, ohne selbst einen Pfennig investieren zu müssen.

Die BVG verpachtet die drei Bahnhöfe an einen privaten Partner zur ganzheitlichen Bewirtschaftung. Die „S & P Handels- und Verwaltungsgesellschaft“, eine deutsche Tochter der schwedischen Axel-Johnson-Gruppe, die in einer europaweiten Ausschreibung das Rennen gemacht hat, will 25 Millionen Mark in die drei Bahnhöfe mit ihren über 10.000 Quadratmetern Fläche stecken und in Dienstleistungszentren verwandeln. In sogenannten „Convenience-Shops“ sollen die Kunden Zeitschriften, Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs kaufen, den Lottoschein abgeben und eine Kleinigkeit essen können. Die BVG wird mit sogenannten „Ticketings“, zu deutsch Fahrscheinverkauf, vertreten sein. Rentiert sich dieses Vorhaben, bei dem voraussichtlich im nächsten Jahr mit den Bauarbeiten begonnen werden soll, will die BVG solche Zentren auf den nächsten Bahnhöfen – Warschauer Straße, Zoologischer Garten, Wilmersdorfer Straße und Walther-Schreiber-Platz – „in Eigenregie“ führen.

Die BVG hüllt sich in Schweigen, wieviel sie mit dieser neuen Kooperation verdient. Man habe eine „Mindestsumme“ an den Pachteinnahmen des Generalübernehmers vereinbart, so Joachim Niklas vom BVG-Vorstand. Konkrete Zahlen nenne er aus Konkurrenzgründen „ganz bewußt“ nicht.

Pro Jahr nehmen die Verkehrsbetriebe 650 Millionen Mark mit dem Fahrscheinverkauf ein. Dazu kommen etwa 60 Millionen Mark pro Jahr durch Werbung, so BVG- Vorstandsmitglied Niklas. Bis zum Jahr 2000 bezuschußt das Land Berlin das Unternehmen außerdem mit rund 970 Millionen Mark jährlich. Trotzdem sei das Unternehmen mit seinen 20.000 Mitarbeitern ein „95prozentiges Verlustgeschäft“, so Niklas. Jedes Jahr fahre die BVG 1,2 Milliarden Mark Miese ein. Es sei einfach nicht möglich, so Niklas weiter, in einem Ballungsraum wie Berlin, der jahrelang „vom Bund gut gehalten“ wurde, kostendeckend zu arbeiten. Auch wenn die Berliner jammern, so Niklas, „die Preise müssen in Zukunft regelmäßig erhöht“ werden. Das Angebot der BVG bleibe jedoch bis zum Jahr 2000 auf dem heutigem Niveau. Barbara Bollwahn