Marzahn wird kein Smarties-Land

■ Kolloquium: Wie farbig dürfen Plattensiedlungen sein?

Bei den Versuchen, die östlichen Plattengewitter in lebenswerte Stadtteile umzubauen, verfallen Architekten und Wohnungsbaugesellschaften derzeit auf einen ganz besonderen Trip. Um die Ödnis der immer gleichen Wohnkisten in Marzahn, Hellersdorf oder Lichtenberg etwas aufzupeppen, greifen die Sanierer zum Farbtopf. An der Falkenberger Straße in Weißensee tragen die Platten rote und weiße Punkte wie Fliegenpilze. Im Marzahner Rüsternweg schillern die Bauten in Grün und Rot. Östliche „WBS 70“-Türme sind lustig verkleidet und mit schrillen Farbdiagonalen oder Riesenkreisen drapiert.

Es ist augenfällig, die Plattensiedlungen verändern sich – durch ökologische Maßnahmen und neue Architekturen –, aber auch durch superbunte Scheußlichkeiten, mit denen die eigentlichen Probleme quasi übertüncht werden. Es lebe die „Platte light?“ Im Gegenteil. Damit es mit der „Verniedlichung der Platte durch Farben“, so der Architekturhistoriker Fritz Neumeyer, bald ein Ende hat, hatte die Senatsbauverwaltung gestern zu einem Kolloquium (Titel: „Gestaltungsleitlinien zur Plattensanierung“) geladen. Gesucht wurde ein Reglement für die Farb- und Materialauswahl.

„Auf die Farben kommt es bei den Großsiedlungen zuletzt an“, mahnte Senatsbaudirektor Hans Stimmann. Leitlinien für die Farbigkeit oder neue Materialien für die Fassade ergäben sich aus der besonderen Struktur der Siedlungen. Statt sich auf Einzelmaßnahmen zu konzentrieren, so der Stadtplaner Urs Kohlbrenner, komme es darauf an, zusammenhängende Quartiere oder Viertel charakteristisch und „hierarchisch“ zu gestalten. Während Höfe beispielsweise bunt sein könnten, sollten die Straßenseiten einheitlich bleiben. Kohlbrenner verwies auf die Farbkonzepte der Siedlungen der zwanziger Jahre, die zu stadtbildprägenden Ensembles wurden.

Gegen „Übermalungen“ – die etwa der Planer Cihan Arin für Marzahn befürwortete – wandte sich der Architekt Klaus Theo Brenner. Vielmehr sei es wichtig, neue Materialien (Stein, Eternit, Kunststoffe, Aluminium) für die Fassaden einzusetzen, die deren bestehende Formen „betonen“ und nicht „überhöhen“.

Schaut man sich die guten Beispiele an, dann gilt der alte Architektensatz: Weniger ist mehr. Marzahn muß nicht zum Smarties- Land werden, damit es bunter wird, so Kohlbrenner. Ein behutsamer Weiterbau der Platte, mit dezenten Farben und unterschiedlichen Fassadenmaterialien, „bringe da mehr“. rola