Küssen – aber nicht umarmen

Die PDS freut sich über den Schmusekurs der SPD, ist aber zugleich höchst verunsichert. Parteichef Bisky sieht noch viel Nebel in Bonn  ■ Aus Bonn Holger Kulick

Aufgeregte Blicke mustern die drei Telefaxe, die über den Ostdeutschen Rundfunk bei der PDS in Bonn eingetroffen sind. Drei neue Blätter aus Lothar Biskys Gauck-Akte.

Gregor Gysi, Lothar Bisky, Lutz Bertram und Hanno Hanisch stecken ihre Köpfe zusammen und befinden, „dazu müssen wir kein Interview geben“, das betreffe ja nur Biskys Frau. So geschehen am vergangenen Dienstag mittag, als Parteichef Bisky die Bundestagsgruppe der PDS besuchte. Gestern mittag, als Bisky die Bundespressekonferenz besuchte, wehrte er in diesem Sinne von vornherein Fragen ab, „rein zufällig“ habe die Gauck-Behörde die Vorwürfe jetzt plaziert, also alles Kampagne. Zum IM machen könne ihn die Gauck-Behörde aber nicht. Wichtiger als eine Selbstkritik ist ihm die Kritik an anderen, zum Beispiel an Oskar Lafontaine. „Nebelwand ist Nebelwand“, formuliert er, gerne wüßte er mehr über den Kurs des neuen Steuermanns bei den Sozialdemokraten, „denn für uns bleibt wichtig, wohin die Reise geht“. Aber solche Tolerierungsmodelle wie in Sachsen-Anhalt sehe er derzeit ohnehin nicht. Die Konkurrenz mit der SPD und den Grünen wolle er „um einen Dialog ohne Vorbedingungen“ erweitern.

Als das vor der Tür Wolfgang Thierse von der SPD vernimmt, ist für den die Antwort klar: „Die PDS will also entschlossene Gedächtnislosigkeit.“ Die Notwendigkeit für weitere Gespräche mit Lafontaine und den PDS-Spitzenvertretern sehe er derzeit ohnehin nicht, sicherlich bleibe es aber im parlamentarischen Betrieb beim normaleren Umgang miteinander. Lothar Bisky sieht sich zwar selbst zu weiteren Spitzengesprächen bereit, das „politische Parteienschach“ sei es aber nicht, was ihn gegenwärtig beschäftige.

Die PDS sei jetzt in ganz andere Grundsatzfragen vertieft, etwa ob ihr in der Lausitz die Einwohner des Dorfes Horno wichtiger seien als die Kohlekumpel, die es wegbaggern wollen. Das spalte dort die Partei wie die Grünen die Bosnien- Frage.

Deutlich „demokratisch-linkssozialistisch“ soll die PDS jetzt ihr Profil entwickeln, aber was das heißt, weiß Bisky auch nicht genau, da müsse die „Partei wieder sehr viel präziser werden“. Dazu legt er am Vortag der Bundestagsgruppe einen neuen Zweijahresplan vor, der auf dem PDS-Parteitag Ende Januar beschlossen werden soll. Das Thema wird nur im Eiltempo abgeklopft. Es wird gemahnt, populistisch könne man zum Beispiel kein Sofortprogramm für 600.000 Wohnungen versprechen, weil man gar nicht wisse, wie. Und für den Westen, so kritisieren sich die PDS-Abgeordneten selber, weiß man derzeit gar gar nicht, wie man Erfolg haben könne.

Vor einem SPD-Schmusekurs warnt sogar das Papier: „Die Taktik ,Entzauberung der PDS durch Einbindung‘ wird an Bedeutung zunehmen.“ Der „Verdrängungskampf gegen die PDS in Ostdeutschland“ verhindere, „daß dort mögliche Reformmehrheiten politisch zum Tragen kommen“. Unsicherheit herrscht über das, was die SPD eigentlich will. „Küssen oder umarmen, das wissen wir nicht“, sagt ein Parteimitarbeiter. „Höchst positiv“ wertet selbst PDS-Hardliner Jens-Uwe Heuer die neue Beweglichkeit der SPD, weiß sie aber auch nicht einzuschätzen, „doch einen ideologischen Kotau gibt es nicht“. Also keinen Anbiederungskurs an die SPD.

Auch die kommunistische Plattform werde bleiben, das sei „unsere Form der Pluralität“. „Die Hauptsache ist, der Umgang untereinander wird erleichtert“, das sei doch das Wichtigste an den Gesprächen, ergänzt die Abgeordnete Petra Bläss gegenüber der taz. Nun müsse man nicht mehr heimlich mit den Linken in der SPD sprechen. Und noch einen Fortschritt registriert trotz aller „Diskriminierung als Gruppe statt Fraktion, die wir erleben“, der Bonner PDS-Pressesprecher Jürgen Reents, nämlich „daß sich die Medien wieder für uns interessieren“.

Zum opulenten Pressefrühstück kam vergangenen Dienstag sogar die Bild-Zeitung. „Früher“, so Reents, „standen wir im Mittelpunkt der Ausgrenzung, jetzt sind wir ins Zentrum der Neugier gerückt. Und das ist doch schon was.“