Todesstrafe ist nicht gleich Todestrafe

Vor dem Verfassungsgericht warb Innenminister Kanther noch einmal mit Engelszungen für sein Asylrecht. Die Todesstrafe in Ghana wird von der Regierung kleingeredet  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Die Bundesregierung kämpft um „ihr“ Asylrecht. Zum Schluß der insgesamt viertägigen Karlsruher Verhandlung warb Innenminister Manfred Kanther (CDU) am Dienstag abend noch einmal mit Engelszungen um den Segen des Bundesverfassungsgerichts. „Einfühlsam, nicht hemdsärmelig“ werde sein Ministerium alle Entwicklungen verfolgen und entsprechend reagieren. Die Bundesrepublik sei „keine gegen Flüchtlinge abgeschottete Republik“, sie habe mit dem verschärften Asylrecht nur ein „modernes Rechtsinstrument“ gegeben, um Einwanderung und Asyl zu trennen.

Bereits durch seine bloße Präsenz in Karlsruhe hatte Kanther Punkte sammeln können. Üblicherweise wohnen MinisterInnen einer Verhandlung allenfalls einen Vormittag bei, um dann wieder in den wartenden Hubschrauber zu steigen. Kanther bewies Sitzfleisch und folgte der Verhandlung an allen vier Tagen. Dieser dem Gericht bezeugte Respekt sollte wohl auch seine Pressionsversuche im Vorfeld vergessen lassen.

In ihren Plädoyers setzten die Flüchtlingsanwälte Kanther eine bittere Bilanz des Asylrechts entgegen. „Heute hat selbst ein deutscher Autofahrer, der nur 20 Mark wegen Falschparkens bezahlen soll, noch besseren Rechtsschutz als ein Flüchtling, dem bei der Abschiebung Tod und Folter drohen“, empörte sich Franz Bethäuser. Und sein Kollege Rainer Hofmann erinnerte daran, daß es in den letzten zwei Jahren mindestens 22 Selbstmorde und Todesfälle in Abschiebehaft gegeben haben. „Das Prinzip, ,Wo gehobelt wird, da fallen Späne‘, ist kein zulässiges Verfassungsprinzip“, mahnte Hofmann. Das neue Asylrecht ist nach Ansicht der Anwälte als „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ zu werten, denn es verstoße gegen die Menschenwürde. Über die Reichweite dieser Garantie bestehen sehr unterschiedliche Vorstellungen. Das zeigte sich, als bekannt wurde, daß im vermeintlich „sicheren Herkunftsland“ Ghana die Todesstrafe doch vollzogen wird. „Im Hinblick auf das Asylrecht ist die Todesstrafe keine erniedrigende und unmenschliche Bestrafung“, erklärte prompt Kay Hailbronner, der Rechtsvertreter Bonns. Seine Begründung: „In Europa ist die Todesstrafe durch ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention geächtet. Diese wirkt aber nur innerhalb der Unterzeichnerstaaten.“ Für schutzsuchende AfrikanerInnen sollen also andere Maßstäbe gelten. „Die Frage ist aber nur theoretisch interessant“, versuchte Hailbronner zu beschwichtigen, „da bei drohender Todesstrafe die Abschiebung ja durch ein einfaches Gesetz, nämlich das Ausländergesetz, ausgeschlossen ist.“

Die Verfassungsauslegung ist allerdings relevant für die Frage, ob Ghana ein „sicherer Herkunftsstaat“ ist und von dort kommende Flüchtlinge deshalb nur reduzierten Rechtsschutz erhalten. Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, ließ Gerichtspräsidentin Jutta Limbach ausdrücklich offen. Der anfänglich gehandelte Februartermin dürfte kaum zu halten sein.

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