„Ziemlicher Affront“

■ Große Enttäuschung der Parteibasis

Als der grüne Kreisvorstand Gerd Schwemm aus Duisburg gestern vom Abstimmungsverhalten der grünen Bundestagsfraktion erfuhr, bebte die Stimme: „Ich bin empört!“ Für Schwemm besteht nach dem Bremer Parteitag kein Zweifel daran, daß die Abgeordneten „politisch-moralisch verpflichtet waren, gegen den Antrag der Bundesregierung zu stimmen“. Schwemms Kreisverband hatte sich mit Zweidrittelmehrheit für die radikalpazifistische Position entschieden. Für den Fall, daß der für Duisburg zuständige Abgeordnete Wolfgang Schmitt ebenfalls mit der Regierung gestimmt habe, „werden wir ordentlich Streit bekommen“, kündigte Schwemm an.

Zusammen mit drei weiteren Grünen hat Schmitt entgegen eigener Überzeugung sich der Stimme enthalten, damit „die Fraktion mehrheitlich dem Bremer Parteitag entspricht“.

Ob dieses Taktieren an der Parteibasis auf Gnade stoßen wird? Sicher ist, daß der traditionell linke Landesverband in NRW politisch anders tickt. Die „große Mehrheit“ in den NRW-Kreisverbänden ist auf ihren Parteitagen entweder dem radikalpazifistischen Antrag oder der Volmer-Linie gefolgt. Für den Ausgang des Bremer Parteitages war das entscheidend, denn ein Viertel der Delegierten stammte aus NRW.

Joachim Drell, Parteigeschäftsführer in Essen, spricht vielen Grünen in NRW aus der Seele, wenn er das Abstimmungsverhalten der Fraktion als „ziemlichen Affront“ wertet. Drell sieht eine „fatale Wirkung“, weil „Parteitagsbeschlüsse völlig entwertet werden“. Daß so viele Abgeordnete sich jetzt auf ihr Gewissen berufen, kann auch Barbara Steffens, linke Parteivorstandssprecherin in NRW, „nicht nachvollziehen“. Alle Abgeordneten „haben auf der Grundlage der pazifistischen grünen Position kandidiert“. Die „große Kluft zwischen Partei und Fraktion“ hätte durch Enthaltung vermieden werden können. Daß „dieser goldene Mittelweg“ nicht gewählt wurde, sei enttäuschend. Walter Jakobs