Durchs Dröhnland
: Eine hübsche Hymne aufs Bonanza-Rad

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Es ist noch gar nicht lange her, da war unser Freund Winston Foster das angesagteste Glückskind im Reich des Off-Beats. Marley und Tosh waren tot, und Yellowman sollte als neuer Superstar auch in Europa aufgebaut werden. Doch mit seinen charismatischsten Stars hatte der Reggae auch schnell die Massenwirkung verloren (Ausnahmen wie der alljährliche Sunshine-Reggae-Sommerhit bestätigen die Regel). Der Dub, den der Albino Winston eine Zeitlang so souverän wie niemand sonst daherblubberte, konnte nie das Potential des Kiffer-Pops entfalten. So ist Yellowman immer noch fleißig, schmückt nahezu jeden Sunsplash und darf sich ruhig auch als Großvater von Raggamuffin sehen, aber die großen Zeiten sind vorbei. Seine gemütlich dahindümpelnden Beats taugen aber immer noch für ein paar behäbige Tanzschritte im breiten Kopp, auch wenn er sich Scherze wie Coverversionen von „Guantanamera“ und „Carolina“ sparen könnte.

Heute, 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Die Süddeutsche erkor sie zur „innovativsten Band“ ihrer Heimatstadt München, sie selbst nennen ihre Musik „Volksavantgarde“ oder „poetische Arbeitslosenmusik“. Mehr als Akkordeon, Kontrabaß und ein eingedampftes Schlagzeug brauchen die No Goods nicht, um schnell mal nahezu die gesamte deutsche Poptradition auf den Kopf zu stellen. Ob Hans Albers, Neue Deutsche Welle, Schlager und Volksmusikkrämpfe, selbst Punkrock – man kann vieles hören, auch die letzte Neuerung, in der sich die Musikanten hierzulande hervorgetan haben: Techno. Dann muß der arme Schlagzeuger den ganzen Abend lang ohne Pause durchspielen, weil der Beat kein Ende haben darf. Daß da die bpm nicht ganz so schnell sind und das Tempo hin und wieder durchhängt, ist kein Wunder. Andererseits beweist das Trio auch wieder, daß Innovation zwar gut und schön ist, aber halt auch sehr anstrengend. Aber manchmal – wie in diesem Fall – lohnt sich die Mühe dann doch tatsächlich.

Morgen, 24 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Zu den am gründlichsten verdrängten Peinlichkeiten nahezu jeder männlichen Jugend in den ausgehenden 70er Jahren gehörte der unerfindliche Wunsch, ein Bonanza-Rad zu besitzen. Wie wurden die beneidet, die die Rückenlehne aus Stahlrohren gar mit meterlangen Fuchsschwänzen geschmückt hatten und entspannt wie der eigene Alte im Fernsehsessel durch die Fußgängerzone kurvten. Schon allein weil sie diesem Gefährt eine Hymne gewidmet haben, muß man Fischmob gut finden. Ansonsten bemühen sich die „vier Wahlhamburger (aus Flensburg)“ um ein möglichst unverkrampftes Herangehen an HipHop, was sie zwar teilweise ins Fanta-4-Blödeln abrutschen läßt, des öfteren aber hübsche Kleinode erzeugt. So vereinen sich „Jazzmusik & Alkohol“ im Rahmen des gleichnamigen Titels ebenso logisch wie zähneknirschend. Gerne brechen sie auch eine sozialbewußte oder antiklerikale Lanze, ohne daß der Beat gleich ins Stolpern kommt.

Mit den Cucumber Men, morgen, 22 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Sein Bassist war mal bei Thin White Rope, er selbst hat bei den Walkabouts ausgeholfen. Diese Credits deuten aber nur ansatzweise in die richtige Richtung, denn Larry Barrett ist viel mehr Country, als es diese Bezugspunkte je sein wollten oder wollen. Andererseits ist er so knochentrocken, als könne er im Alleingang dafür sorgen, daß die Wüste nie mehr zum Blühen kommt. Weil der Singer/Songwriter nie lange am selben Ort war, mal in Idaho, mal in Seattle, mal in Prag lebte, hat er auch noch entsprechend viele Geschichten zu erzählen über den spartanisch hingetupften Folk seiner Band.

Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg

Man mag es kaum glauben, aber auf der neuen Platte von Unsane läßt sich ansatzweise doch tatsächlich so was wie Songs erkennen. Und selbst das Coverfoto ist ein wenig ungruseliger als die früheren. Auch das New Yorker Trio wird halt älter und lernt spielen, aber keine Angst, weiterhin wird hier abgekotzt, losgebrüllt, gewütet und gesägt, wie nirgendwo sonst in der zivilisierten Welt. Unsane sind der Abschluß des „Dirty-Dozen-Festivals“ im Knaack, das bereits gestern begann. Aber noch gibt es an drei Tagen jeweils drei Bands zu sehen, die außer einer heftigen Liebe zum dreckigen Ausdruck nicht viel gemeinsam haben.

Unsane mit Over und Party Diktator, So., 10.12., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg. Am Freitag zur selben Zeit: Anus Praeter, Rest in Pain und Untoten, am Samstag: Disarray, Boiled Kilt und Think About Mutation

20 Jahre später, und die Nits gibt es immer noch. Zum Glück für sie war ihr Popentwurf noch nie sonderlich zeitgemäß, aber jetzt liegt dann doch etwas Staub über den bedächtigen Melodien und zarten Geigenklängen. Der Versuch der Amsterdamer, Musik für Menschen zu machen, die am liebsten in kahlen Wäldern spazierengehen, ist gelungen. Nur den Fans ist es möglicherweise etwas kalt dabei geworden.

Mo., 11.12., 21 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Daß der Engländer in letzter Zeit nicht mehr nur Tee trinkt und abwartet, kann man ja nun überall hören und lesen. Pulp hatte es schon 15 Jahre lang gegeben, als sie von Oasis und Blur überholt wurden. Immerhin läßt sich das Brit-Pop-Fieber hierzulande noch in kleinen Clubs nachvollziehen. Auf der Insel verkaufen Pulp längst wie der Teufel und turnen sich durch die Klatschpresse, wo Sänger Jarvis Cocker dann gerne die Geschichte seines Vaters zum besten gibt, der sich erfolglos als Joe Cockers Bruder ausgegeben hatte. Der Sohnemann aber hat schon mehr als sieben Minuten Berühmtheit ganz eigenständig abgezockt.

Mit Cast, Mo., 11.12., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

The Muffin Men kommen aus Liverpool und spielen seit fünf Jahren möglichst exakt Frank Zappa nach. Der mußte schon lange vor seinem Hinscheiden erleben, daß ehemalige Mitmusikanten wie Jimmy Carl Black, ein Gründungsmitglied der Mothers of Invention, sich ihre Leberwurst aufs Brot mit dem Aufführen von Zappa-Evergreens verdienten. Nun schließt sich der Kreis: Dieser Jimmy Carl Black kommt jetzt mit den Muffin Men auf Tour, der Chef ist unter der Erde, und unzählige Dancing Fools werden das Angebot dankbar annehmen.

Di., 12.12., 20.30 Uhr, Insel, Alt- Treptow 6

So recht wird mir nicht klar, was Twirl nun eigentlich spielen wollen. Auf ihrer selbstverlegten EP kommen die Strukturen zwar aus dem Rock, teilweise auch aus dem Soul, aber das Ganze ist so zurückgenommen, daß man nicht recht weiß, ob man es der Produktion unterstellen soll oder einer Absicht, die Energie so zu zügeln, daß es knistern möge. Das tut es aber bei den Rostockern leider nur in Ausnahmefällen, auch nicht, wenn sie Geige oder Cello für artfremde avantgardistische Ausflüge bemühen.

Do., 14.12., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler