Stichwahl mit kleinen Unregelmäßigkeiten

■ Ägyptens Polizisten sorgen für richtige Wahlergebnisse. Die Opposition resigniert

Kairo (taz) – „Schau dich um!“ Muhammad Fattahs Hand schwingt durch eine Gasse des Kairoer Slumviertels Zawiya Hamra. Die Straße besteht aus Lehm. An manchen Stellen quillt das Abwasser an die Oberfläche. Die Häuser stehen so eng zusammen, daß sich die Nachbarn gegenseitig die Wäsche von der Leine hängen können. Heute – am Tag der Stichwahlen zum ägyptischen Parlament – sind vor dem Wahllokal Bereitschaftspolizisten aufgezogen.

Der Kandidat der regierenden Partei Husni Mubaraks hat hier das erste Mal drei Tage vor den Wahlen vorbeigeschaut. Muhammad hoffte daher eher auf dessen Gegenkandidaten, den Muslimbruder Magid Hassan. Der wiederum hat sich aber schon zwei Stunden nach Wahlbeginn aus dem Rennen zurückgezogen. Aus Protest: Seine Anhänger sprechen von Wahlbetrug, Festnahmen und nicht zum Wahllokal gelassenen Wahlbeobachtern. „Hier wird sich wohl auch in den nächsten fünf Jahren nichts ändern“, verabschiedet sich Muhammad resigniert.

Insgesamt sind zur Stichwahl am Mittwoch landesweit 612 Kandidaten angetreten. Mehr als 250 gehören der regierenden NDP an, ungefähr 40 der Opposition, über 300 sind Unabhängige, ungefähr 20 von ihnen Muslimbrüder, der Rest steht der NDP nahe. Dabei herrscht bei den Ergebnissen des ersten Wahlgangs vor einer Woche noch völliges Chaos. Wegen Unregelmäßigkeiten hat ein Verwaltungsgericht die Ergebnisse in 50 Wahlkreisen für null und nichtig erklärt. Die Regierung ist in Revision gegangen, und nun finden Stichwahlen auch in diesen Wahlkreisen statt.

Im Kairoer Industrievorort Heluan tritt Mustafa Bakri, Chefredakteur einer islamistischen Zeitung, gegen den Minister für religiöse Angelegenheiten, Muhammad Ali Mahgub, an. Die Arbeitersiedlung mit dem schwarzen Qualm der Fabrikschlote und dem sich auf den Straßen stapelnden Dreck wirkt wie aus einem Endzeitroman. Schon in der ersten Wahlrunde war es hier zwischen Regierungs- und Bakri-Anhängern rauh zugegangen. Weil Bakri befürchtete, daß die Behörden seine gesetzlich vorgeschriebenen Wahlbeobachter auch beim zweiten Wahlgang nicht zulassen würden, hat er lastwagenweise Anhänger aus seinem Herkunftsort in Oberägypten mitgebracht. In den Morgenstunden sind sie mit Holzknüppeln durch die Straßen patrouilliert. – Erfolglos: Nachdem ein halbes Dutzend von ihnen verhaftet worden ist, zieht sich Bakri ebenfalls aus den Wahlen zurück. „Man weiß nicht, wo er derzeit ist. Er fürchtet um sein Leben“, flüstert einer seine Anhänger, ohne die in der Nähe stehenden Polizisten aus den Augen zu lassen.

Mehr als 40 Menschen wurden im Wahlkampf und bei den zwei Wahlrunden getötet, Hunderte verletzt. Lange bevor die Stimmen ausgezählt sind, gilt als sicher, daß die NDP ihre Zweidrittelmehrheit sicher hat. Karim El-Gawhary