Ist der Ruf erst ruiniert...

Shell stolpert von einer Imagekatastrophe in die nächste. Die Kampagnen von Greenpeace haben den Weltkonzern das Fürchten gelehrt  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Mainz (taz) – Klaus-Peter Johanssen kämpft seit dem Mai 1995 – Gewehr bei Fuß – auf verlorenem Posten. Denn der Mann mit den tiefen Sorgenfalten im Gesicht und dem leicht resignativen Unterton in der (noch) festen Stimme, ist der nun wirklich nicht zu beneidende Direktor für Unternehmenskommunikation und Wirtschaftspolitik bei Shell in Deutschland. Auf Einladung der Leitung der Mainzer Fachhochschule für Wirtschaftswissenschaften (FH Mainz II) sprach Johanssen gestern in der überfüllten Aula der FH zum Thema: „Nachkrisenmanagement bei der Deutschen Shell AG“. Die StudentInnen der Betriebswirtschaft sollten aus erster Hand erfahren, wie Weltkonzerne ihre Imagekampagnen entwerfen und inszenieren – und wie sie sie in den Sand setzen.

Brav bedankte sich Johanssen zunächst bei Fachbereichsleiter Horst Wurm für das dargebotene Forum mit dem Titel „Facts and Heads“. Schließlich komme es nicht mehr allzu oft vor, daß ihm überhaupt noch zugehört werde, sagte Johanssen larmoyant. Doch wie soll einem aus dem Topmanagement der deutschen Shell- Zentrale nicht zum Heulen sein, wenn ihm – im Abstand von nur sechs Monaten – gleich zwei Imagekampagnen restlos konterkariert wurden. Denn gerade als Johanssen und seine Leute zum Jahresbeginn die neue, in monatelanger Arbeit konzipierte Umweltschutz- und Sozialimagekampagne für Shell aufstarten wollten, weil die Werbung für Benzin alleine „nicht mehr sexy genug“ war, platzte ihnen die britische Schwestergesellschaft mit der „Brent Spar“ dazwischen. Die Anzeigenserien und Fernsehspots konnten gleich eingestampft werden. Und statt dem erhofften Imagegewinn, der sich nach den ersten Plazierungen in Publikumszeitschriften schon zögerlich einzustellen begann (Shell rückte in Deutschland näher an Branchenleader Aral heran), gab es nach all dem „Gezerre um die Entsorgung der ,Brent Spar‘“ Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent. Nachdem sich selbst der Bundeskanzler und die beiden Kirchen kritisch zur geplanten Versenkung der Plattform äußerten, und Koalitionspolitiker wie Blüm und Waigel mit – Bild und taz – zum Boykott aufriefen, sei „von der Kampagne nichts mehr zu retten gewesen“. „Krise mit Image-Irritationen“ nennt Johanssen so etwas. Die britische Schwestergesellschaft habe die Boykottbewegungen vor allem in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden unterschätzt und deshalb zu spät reagiert. Und man habe bei Shell auch die Effizienz der Medienarbeit von Greenpeace falsch beurteilt. „Umfangreich und beeindruckend“ sei die schon gewesen. Johanssen: „Wir sollten einige von diesen Leuten bei uns einstellen.“ Beifall im studentischen Auditorium.

„Wir haben uns geändert!“ hieß nach der Katastrophe mit der „Brent Spar“ die neue, diesmal weltweit verbreitete Parole. Zurück zur guten alten Produktwerbung mit ökologischem Touch. Als erster Mineralölkonzern plazierte Shell benzolarmes Superbenzin auf den Markt: „Besser für die Umwelt“. „Ganz hoffnungsfroh“ sei man in Hamburg wieder gewesen, sagte Johanssen. Die Pächter meldeten normale Umsätze. Das Thema „Brent Spar“ war abgehakt, nachdem die Plattform von Shell in ein norwegisches Fjord geschleppt worden war. Doch dann kam Nigeria und die Hinrichtung des Schriftstellers Ken Saro-Wiwa und weiterer Angehöriger der Opposition gegen die Militärregierung des Landes. Shell und andere Ölkonzerne hatten im Stammesgebiet der nigerianischen Opposition jahrzehntelang – Shell seit 1937 – nach Öl gebohrt und dabei die Umwelt im Delta des Niger außerordentlich verschmutzt. Der Konzern, so die Vorwürfe von Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen, habe nicht nur die großflächige Umweltverschmutzung billigend in Kauf genommen. Er habe sich auch, trotz seiner guten Verbindungen zur nigerianischen Junta, nicht energisch genug für das Leben von Ken Saro-Wiwa und seiner Freunde eingesetzt.

Man habe in Nigeria „stille Diplomatie“ betrieben, verteidigte sich Johanssen nach entsprechenden Vorwürfen von StudentInnen. Und die Umwelt sei tatsächlich verschmutzt worden. Aber vor allem durch Sabotage und durch Anschläge Oppositioneller gegen Ölbohreinrichtungen und Pipelines. Da hatte es sich Johanssen dann doch mit den kritischen FachhochschülerInnen verscherzt. Doch welche Lehren hat Shell aus den beiden desaströsen Imageschäden gezogen? Man müsse Konflikte voraussehen können und schon im Vorfeld reagieren – „bevor es andere tun und daraus eine Kampagne machen“. Vielleicht hätte die Fachhochschule in Mainz besser „Campagnier“ von Greenpeace eingeladen. Da hätten die StudentInnen möglicherweise mehr für das kommende Berufsleben in Werbeagenturen und Pressestellen von Konzernen lernen können.