Weder Steinzeit noch Askese

■ BUND-Kampagne für ein "zukunftsfähiges Berlin" plädierte für umweltgerechten Wohlstand. Kommunales Forum Wedding und andere Projekte als Vorbild für Initiativen

Martina Schäfer ist sich sicher: „Weniger Ressourcen vergeuden in einem zukunftsfähigen Berlin – das ist attraktives Leben jenseits von Steinzeit und Askese.“ Mit einer jetzt zu Ende gegangenen Ausstellung und diversen Veranstaltungen hat sie als BUND-Kampagnenleiterin versucht, die BerlinerInnen von diesem Konzept zu überzeugen. Das dem BUND vorschwebende Modell einer ökologisch wirtschaftenden Metropole basiert auf der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“, die das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie im Auftrag von BUND und Misereor erstellte. Ihr wesentlicher Inhalt: Wenn das von der UN-Konferenz in Rio propagierte Ziel einer „nachhaltigen Entwicklung“ für alle Länder erreicht und das Weltklima gerettet werden soll, dann muß das Industrieland Bundesrepublik völlig umgebaut werden. Vor allem via Ökosteuer müßte der Verbrauch fossiler Energien und der Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um 25 %, bis 2050 sogar um 80 bis 90 % reduziert werden und die Land- und Waldwirtschaft müßte ökologisch umgestellt werden. Auf Berlin bezogen hieße das unter anderem: autofreie Innenstadt bis 2010, Ausbau der Straßenbahn statt der im Flächennutzungsplan ausgewiesenen 42 Kilometer Schnellstraßen und des Tiergartentunnels, Umbau der Bewag, Ökologisierung der Brandenburger Landwirtschaft, Förderung regionaler Produkte, Unterstützung von Kiez-Initiativen.

In ihrer Ausstellung „Zukunftsmarkt Deutschland“ haben die UmweltschützerInnen deutlich zu machen versucht, daß der ökologische Umbau zwar an manchen Stellen individuellen Verzicht erfordert, an anderen Stellen aber auch Demokratie und Lebensqualität fördert. Beispiel: das Kommunale Forum Wedding. 1988 als informeller Kreis und 1989 als Verein gegründet, fungiert das Forum als Träger beziehungsweise Koordinator von insgesamt fast 50 Projekten mit mehr als 150 Arbeitsplätzen und als Initiator von basisnaher Stadtplanung. In der Überzeugung, daß „die Leute vor Ort am besten wissen, was sie brauchen“, bauten die AktivistInnen im letzten Jahr den Sprengelkiez als Pappmodell nach. Auf Veranstaltungen oder an einem Straßenstand forderten sie die Leute auf, mit bunten Kärtchen zu markieren, wo sie sich eine Grünfläche oder einen Kinderspielplatz wünschten. „Die Resonanz war enorm, und auch wir selbst haben unglaublich viel über den Kiez erfahren“, berichtet Willy Achter, Geschäftsführer des Forums. Diese vor 15 Jahren in Großbritannien entstandene Form von Nachbarschaftsmobilisierung, „Planning for real“ genannt, soll nun im „Nachbarschaftsladen“ weiterentwickelt werden. „Wir haben etwas angestoßen, das langsam immer weiter wächst“, freut sich Willy Achter, und genau das sei „nachhaltige Entwicklung“. „Arbeit für mehr Lebensqualität“ war auch das Motto des Kommunalen Forums. Für BUND-Kampagnenleiterin Schäfer sind solche Initiativen Vorbilder für ein zukunftsfähiges und umweltverträgliches Wohlstandsmodell, das Arbeit anders definiert und anders verteilt. Als weitere Beispiele fallen ihr die über 40 selbstverwalteten Berliner Food-Coops ein, die ihre Lebensmittel von wendländischen oder Brandenburger Ökobauernhöfen beziehen, oder die Ökobörse, die zwischen Biohöfen und GroßverbraucherInnen vermittelt.

Aber wie sollen die paar Projektchen die Machtverhältnisse kippen? Oder anders gefragt: Wie will der BUND weitere Bündnispartner für den gewiß nicht unter Harmoniegesängen erreichbaren Öko-Umbau der Wirtschaft gewinnen? Martina Schäfer gibt zu, „daß wir den Schritt in neue Kreise noch nicht geschafft haben“, auch wenn die BUND-Kampagne insgesamt auf „gute Resonanz“ stieß und Eberhard Diepgen als Schirmherr für die Vorstellung der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ gewonnen werden konnte. Die UmweltschützerInnen wollen jedoch nicht locker lassen. Nun stünden Gespräche mit Parteien und Gewerkschaften an, sagt Schäfer. Sie hofft darauf, „daß sich die Rahmenbedingungen für ein zukunftsfähiges Berlin langsam etablieren“. Und wenn nicht, „dann muß man halt die Konflikte austragen“. Ute Scheub