: Gesetz „zur Abschreckung“
■ Bremens Haltung zu Asylbewerberleistungsgesetz Thema im Senat
Morgen entscheidet der Senat voraussichtlich darüber, wie Bremen sich im Bundesrat bei der Abstimmung über das neugeplante Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verhalten wird. Aus diesem Grunde luden am Freitag die Grünen kurzfristig zu einer Anhörung in die Bürgerschaft.
„Wir werden dieser Gesetzesverschärfung nicht zustimmen“, bezog die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Helga Trüpel eindeutig Position. Der Gesetzentwurf untermauere den Sonderstatus von AsylbewerberInnen. Seine Umsetzung schließe deren Anspruch auf „ein eigenständiges Leben mit eigener Wohnung und eigenem Geld“ aus. Abgesehen von humanitären und politischen Gründen führte Helga Trüpel indes auch haushaltstechnische Gründe an, die gegen das neue Gesetz sprechen: Für Bremen würden nach vorsichtigen Berechnungen Mehrkosten von 3,8 Millionen Mark jährlich entstehen.
Der vom Bundesgesundheitsminister eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, das Prinzip der Sachleistung und Sammelunterkunft ohne Zeitbegrenzung auf alle Flüchtlinge anzuwenden, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Dabei soll der Wert der Sachleistungen einschließlich Taschengeld auf real 70 Prozent unter den Sozialhilfesatz abgesenkt werden. Damit würde sich der bisherige Regelsatz für einen Asylbewerber, der länger als zwölf Monate in Deutschland lebt, von 520 Mark plus 80 Mark Kleidergeld auf einen Sollwert von 440 Mark reduzieren, der vornehmlich in Form von Sachleistungen vorgehalten wird.
Vom Prinzip der Sachleistungsbezüge waren nach dem erst im November 1993 in Kraft getretenen AsylbLG neben den Bürgerkriegsflüchtlingen die AsylbewerberInnen ausgenommen, die länger als zwölf Monate in Deutschland leben. Nach Angaben des Ministeriums wären davon jetzt 235.000 Menschen betroffen. Der Einspareffekt liegt nach Angaben des Ministeriums für die Kommunen und Länder bei rund 900 Millionen Mark jährlich.Für Bremen müßte folglich eine Ersparnis von rund zehn Millionen herauskommen, errechnete Gertrud Janzer-Berzbach, Sachbearbeiterin im Sozialressort. Dem aber sei nicht so. Stattdessen reißt das Gesetz nach ihren Berechnungen, die sich mit denen aus anderen Bundesländern decken, ein Loch von jährlich 3,8 Millionen Mark in den Bremer Haushalt. „Die von der Bundesregierung zugrundegelegten Zahlen sind falsch“, erklärte sie. Das liegt zum einen daran, daß selbst die abgesenkten Sachleistungen noch teurer sind als die bisherige Lösung. Außerdem sei die von der Bundesregierung angegeben Zahl der Betroffenen viel zu niedrig angesetzt.
In Bremen etwa läge diese Zahl nicht, wie behauptet, bei 1:1, sondern bei 1:5, konkret: Anstatt wie bisher wären nicht 1.000, sondern 5.000 Flüchtlinge von dem Sachmittelbezug betroffen. Per Saldo ergäben sich dadurch pro Kopf Mehrkosten von etwa 1.000 Mark jährlich, statt, wie von der Bundesregierung angegeben, Einsparungen in Höhe von 3.700 Mark jährlich. Dabei sind in den Bremer Berechnungen noch nicht einmal die Mehrkosten für die vom neuen Gesetz festgeschriebene Unterbringung in den teuren Sammelunterkünften eingegangen.
Gegen den Gesetzentwurf hat sich bundesweit Protest formiert. „Der Vorschlag, Asylsuchende während des laufenden Verfahrens ohne jede zeitliche Beschränkung auf das mindere Leistungsniveau des AsylbLG zu verweisen, ist sachlich nicht begründet und begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken“, erklärt beispielsweise die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge Pro Asyl. Sie sieht in dem geplanten Gesetz einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes und gegen das in Artikel 1 festgelegte Gebot zur Menschenwürde. Der Bremer Anwalt Hans-Eberhard Schultz bezeichnete den Entwurf bei der Anhörung in der Bremer Bürgerschaft als Etappe einer „galloppierenden Rechtsaufweichung“ mit immer schärferen Restriktionen für die Flüchtlinge.Hans-Hermann Brauer, Präsident des Kirchenausschusses der Bremer Evangelischen Kirche, brachte es schließlich auf den Punkt: „Das Asylbewerberleistungsgesetz hat die Aufgabe abzuschrecken.“ dah
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen