■ Klaus Beyer ist der fünfte Beatle
: „Kreuzberger Frauen sind lang“

Berlin (taz) – Es gibt Künstler, die fallen einem auf, weil sie lärmend ein Klischee ihres Selbst durch die Gegend tragen. Klaus Beyer dagegen besticht durch schüchtern-freundliche Bescheidenheit auch in Zeiten, in denen seine Kunst plötzlich im Trend liegt. Denn eigentlich ist der 43jährige Sänger, Filmemacher und Kerzendreher der fünfte Beatle. Oder zumindest einer ihrer kreativsten Fans. An die 100 Songs der legendären Band hat Beyer in den letzten Jahren übersetzt und neu interpretiert; vier Beatles-Alben hat er auf Super-8 verfilmt. Mittlerweile ist der stille Kreuzberger zum Lo-Fi-Kultstar geworden.

Es gibt einen Klaus-Beyer-Fan- club und diverse Klaus-Beyer-Devotionalien. Vor kurzem erschien „Der Narr auf den Höhen – das große Klaus-Beyer-Beatles-Buch“ mit den Beatles-Übersetzungen und einem Foto, auf dem Paul McCartney seinen Arm freundlich um den fünften Beatle legt. Es gibt eine prima „Klaus-Beyer-Fanclub-CD“, auf der sich unter anderem auch eine neuen Interpretation der Endlosrille der „Sgt. Pepper“-LP findet (100mal „vielen Dank fürs Zuhör'n und kommt zu meiner nächsten Show“), eine „Klaus-Beyer-Videocassette“ auf modernem VHS-Format, T-Shirts, Postkarten, Audiotapes und so weiter.

Schon seit ewigen Zeiten wohnt Klaus Beyer im fünften Stockwerk eines eher tristen Mietshauses am Kottbusser Tor. Das heißt inzwischen ist das seine Zweitwohnung. Die Kerzenfabrik, bei der er arbeitet, verlegte im letzten Jahr ihr Produktionsstätten nach Aurich; er folgte ihr ins Ostfriesische. Die Wochenenden verbringt er trotzdem noch gern in Berlin: Da besucht er dann seine Mutter oder widmet sich seinen Hobbys.

In selbstgebastelten Regalen stehen unzählige Videocassetten. Neben den Regalen stehen diverse Tonbandmaschinen, die er benötigt, um seine nur entfernt karaokemäßigen Beatles-Interpretationen aufzunehmen. Irgendwo hängt eine hippieeske Blümchengardine, die in vielen seiner Filme eine Rolle spielt. An der Wand steht ein Sofa. Da lehnen sich große und kleine Teddybären aneinander.

„Eigentlich war ich ein Bee- Gees-Fan. In ,Schlager der Woche‘ hatten die dann einmal zwei Beatles-Songs gespielt. Das hat mir so gut gefallen, daß ich von da an bei den Beatles geblieben bin. So ist das gekommen.“ Weil seine Mutter kein Englisch versteht, hat er die meisten Songs ins Deutsche übersetzt: „Erdbeerfeld für immer“; „Glück ist ein warmes Gewehr“; oder „Gibt nicht zu kaufen“ („Can't Buy Me Love“).

Beyer verwendet nur Originalmusik. Das heißt, er schneidet die teilweise extem kurzen Instrumentalpassagen der Originalsongs so oft hintereinander, bis sie die von ihm ausgemessene Länge für eine Strophe bilden. Dann singt er seinen Text auf die Vorlage. Manchmal zwei oder dreimal – so entsteht dann ein Beyerchor. Das ist recht kompliziert. Oft ist „zuwenig da ohne Gesang“; manchmal zerstört auch ein vorbeifahrender Bus oder ein trompetenspielender Nachbar die Aufnahme.

Linke Kifferspießer werfen seinen meist wortwörtlichen Übersetzungen antisozialistische Ungenauigkeiten vor: „Der übersetzt ,Comrades‘ mit ,Kameraden‘. Das ist doch unmöglich!“ Andere halten Klaus Beyer für einen naiven Narren auf den Höhen. Doch das ist sowieso eher ein Kompliment und berührt die Fans, die bei seinen Auftritten im Berliner „Dutschke-Club“, im „Kumpelnest 3000“ und in vergleichbaren Läden in Hildesheim, Hamburg, Kassel oder Dessau gern mitsingen, nur äußerst peripher.

Wunderschön seltsam sind auch die Super-8-Filme, die Klaus Beyer seit 1980 macht. Neben den Beatles-Projekten finden sich auch selbst ausgedachte Lieder, Sketche und Zeichentrickfilme mit merkwürdigen Hamstern in seinem ×uvre. Mal sind die Lieder stimmungsvoll – „Kreuzberger Frauen sind lang“, mal melancholisch, mal engagiert, wie der Song, den er dem sterbenden Wald gewidmet hat. Den sollten sich die PR-Leute der Grünen unbedingt mal anschauen.

Klaus Beyer ist der unabhängigste Filmer, den man sich vorstellen kann. Meist ist er Regisseur, Kameramann, Schauspieler und Cutter in einem. Zuweilen spielt er auch sieben Rollen gleichzeitig. Die Filme spielen stets in seinem Kreuzberger Zimmer. Sein Kurzfilm „Die Glatze“ wurde gerade beim „Internationalen Kurzfilmfestival“ in Hamburg ausgezeichnet.

Viele fragen ihn, ob er denn nicht Profi werden wolle. Klaus Beyer sagt jedoch: „Mein Beruf sollte in erster Linie doch bleiben. Falls irgendwas schief geht, daß ich dann auch noch einen Beruf habe.“ Detlef Kuhlbrodt

Klaus Beyer Fanklub, c/o Frank Behnke, Bornsdorfer Str. 5, 12053 Berlin