Bescherung im Breisgau

Völlig unverdient verliert der SC Freiburg 0:1, schenkt Borussia Dortmund die Herbstmeisterschaft und sorgt für Weihnachtsschmuck  ■ Aus Freiburg Uli Fuchs

Auf dem Spielfeld war Dortmunds Mittelfeldakteur Andreas Möller an diesem Nachmittag arg blaß geblieben. Als dann alles vorbei war, hat der junge Mann, dessen Begabung, Antipathie auf sich zu lenken, seinen fußballerischen Talenten fast ebenbürtig ist, sein allerliebstes Christkindchengesicht aufgesetzt und gesagt: „Aufgrund der Konterchancen hätten wir den Sack auch früher zumachen können.“ Was zwar Salz in die Sport-Club-Wunden, aber in der Sache gar nicht falsch war.

Auch wenn da ja noch jene erste Halbzeit gewesen ist, an deren Ende Freiburgs Trainer Volker Finke die Vision von einer goldenen Borussen-Zukunft übernommen hatte: „Auf dem Weg in die Kabine“, berichtete Finke nach der Partie, „habe ich gesagt: Wenn die Dortmunder dieses Spiel heute nicht verlieren, dann holen sie den Weltpokal.“ Ob Ajax Amsterdam im Frühjahr tatsächlich nur eine Zwischenstation zu größeren Erfolgen für die Borussia ist, wird sich erst zeigen müssen. Sicher aber ist: Als Schiedsrichter Strampe am Samstag zur Winterpause pfiff, hatte Freiburg die Bescherung. Und Borussia Dortmund drei Punkte, und eine Zweimonatsgarantie auf die Tabellenführung.

Dabei war man lange den Eindruck nicht losgeworden, daß die schwarzgelben BVB-Jungs noch in Nikolaus-Stimmung in Freiburg angereist waren: Kickstiefel vor die frostige Tür und mit dem Kopf noch in der wohlig warmen Kabine – mal gucken, was nachher an Geschenken angekommen ist. Die Ausbeute war reichlich. Besonders Sport-Club-Kapitän Jens Todt, der nur zu gern Knecht Ruprecht gespielt und die Dortmunder Nachlässigkeiten bestraft hätte, zeigte sich darüber „verdammt ärgerlich“. Mit drei Kopfbällen war er jeweils um Haaresbreite gescheitert. Und daß dann alles ganz anders kam, mochte Todt nach Spielschluß nur noch im Stenogrammstil kommentieren: „Hervorragend gespielt, kein Tor gemacht, bestraft worden.“

Lars Ricken, der kurz nach der Pause mit der Gemütsverfassung einer Gefriertruhe einen Freiburger Abwehrschnitzer zur Bestätigung der Ungerechtigkeit des Fußballs genutzt hatte, vergaß in seiner analytischen Nachbetrachtung nicht, wem der Sieg in erster Linie zuzuschreiben war: „Wir können uns letztendlich bei unserem Torwart bedanken, daß wir mehr oder weniger glücklich gewonnen haben.“ Und dann war da noch Dortmunds Libero. Nein, nicht Matthias Sammer. Der hatte sich vorab krank gemeldet. Was Beobachter angesichts der überragenden Vorstellung von Julio Silvia Cesar zur Frage verleitete: Muß in Dortmund, wenn Sammer gesund ist, denn ein Weltklasselibero auf der Manndeckerposition verkümmern?

Jetzt ist erst einmal Zeit, solche Diskussionen ohne Zeitnot unter den Dortmunder Weihnachtsbäumen zu führen. Und die werden in diesem Jahr wieder einmal ungewöhnlichen Schmuck tragen. „Sehr viele Leute“, erzählte nach dem Spiel ein glücklicher Stefan Klos, dem sein Trainer „mirakulöse Reaktionen“ attestiert hatte, „werden jetzt in Dortmund die Tabelle an den Weihnachtsbaum hängen.“ In Freiburg besteht dazu weniger Anlaß. Immerhin: Dortmunds Trainer Hitzfeld, dem der Spielverlauf schon vorfestliche Grüße beschert hatte („Wir haben gesehen, daß die Borussia beschenkt wurde“) ließ seine südbadischen Landsleute nicht ohne jeden Trost zurück: „Beim Sport- Club ist auf jeden Fall genug Substanz da, um wieder unten rauszukommen.“

Kollege Volker Finke hatte schon unmittelbar nach Schlußpfiff gemahnt: „Wir müssen die Niederlage jetzt schnell verarbeiten – wir haben heute noch unsere Weihnachtsfeier.“ Und Manndecker Tom Vogel strahlte bereits wieder verhaltene Zuversicht aus: „Je später der Abend, desto fröhlicher wird es werden.“

Borussia Dortmund: Klos - Cesar - Freund, Kree - Wolters, Ricken (89. Franck), Zorc, Möller, Berger, Reinhardt (46. Kutowski) - Riedle (22. Tretschok)

Zuschauer: 22.500 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Ricken (48.)

SC Freiburg: Schmadtke - Heidenreich - Vogel, Spanring - Kohl, Zeyer, Sutter, Todt, Freund - Jurcevic (83. Rraklli), Decheiver