Das Ende der UNO-Rolle in Bosnien

Auf der Londoner Konferenz wurde Hoffnung auf einen Neuanfang der internationalen Bosnien-Politik verbreitet. Aber bislang konnten nicht alle Unklarheiten ausgeräumt werden.  ■ Aus London Andreas Zumach

Die internationale Bosnien- Konferenz in London hat sich am Samstag auf erste Schritte zum Wiederaufbau des Landes verständigt. 42 Staaten und acht internationale Organisationen bilden künftig den „Rat zur Umsetzung des Friedens“ (PIC, Peace implementation council). Die PIC löst die im August 1992 ebenfalls in London gegründete Internationale Konferenz von UNO und EU zu Ex-Jugoslawien (ICFY) ab. Zentrales Gremium der PIC ist ein Lenkungsausschuß, dem Vertreter der EU-Kommission, der EU-Präsidentschaft, der Staaten der G 7 (Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, USA, Kanada und Japan) sowie Rußlands und der Organisation der Islamischen Staaten (OIC) angehören. Die UNO ist in der PIC nicht mehr vertreten; dafür Japan, von dem sich die USA und die EU massive Finanzhilfe für Bosnien erhoffen. „Alle haben aus früheren Fehlern gelernt, alle wissen jetzt, worauf es ankommt“, erklärte Bundesaußenminister Klaus Kinkel.

Vorsitzender des Lenkungsausschusses wird der Schwede Carl Bildt. Er wird seinen Sitz in Brüssel haben, sein Stellvertreter und Statthalter in Sarajevo wird der bisherige deutsche Vertreter in der Bosnien-Kontaktgruppe, Michael Steiner. Gemeinsam haben Bildt und Steiner die Aufgabe, die Arbeit der verschiedenen an der Umsetzung des Abkommens von Dayton beteiligten Organisationen zu koordinieren. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) erhielt in London den Auftrag, einen Plan für die freiwillige Rückführung der rund drei Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen zu erarbeiten. UNO-Hochkommissarin Sadako Ogata sagte, das UNHCR richte sich darauf ein, daß das Rückkehrprogramm „mindestens zwei Jahre“ dauern werde. Die im europäischen Ausland lebenden rund 800.000 Flüchtlinge würden wahrscheinlich als letzte nach Bosnien zurückkehren. Die Rückführung solle nur in künftige Wohnorte der Flüchtlinge erfolgen, betonte Ogata; nicht aber in Durchgangslager oder vorläufige Unterkünfte. Den laut Dayton-Abkommen ermöglichten Wahltermin im Mai 1996 nannte Ogata „unrealistisch“. Schon allein wegen des Winters werde bis dahin keine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen zurückgekehrt sein.

Bildt wollte auf Nachfrage zumindest nicht völlig ausschließen, daß er eine Verschiebung der Wahlen empfehlen werde. Unklar blieb in London, ob die Nato-geführte Truppe (IFOR) das UNHCR bei der Rückansiedlung von Flüchtlingen mit Zwangsmitteln unterstützen soll.

Vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagte Personen sollen von den IFOR-Soldaten zwar „nicht aktiv gejagt“ (US- Botschafterin Madeleine Albright), bei Begegnung aber „festgesetzt“ und an die „zuständigen Behörden“ Bosniens „überstellt“ werden zur Auslieferung an das internationale Tribunal. Eine entsprechende Regelung zeichnete sich am Wochenende bei den Beratungen des UNO-Sicherheitsrates über das Mandat für die IFOR ab.

Möglicherweise wird auch die in London beschlossene 1.500 Mann/ Frau starke Internationale Polizeitruppe (IPTF) eine Rolle bei der Ergreifung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern erhalten. Noch offen ist, ob internationale Menschenrechtsorganisationen Zugang zu vermuteten Massengräbern erhalten werden. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Europarat und das UNO-Menschenrechtszentrum in Genf sollen eine Arbeitsgruppe zur Klärung dieser Frage bilden. Ab Anfang 1996 werden zunächst 250 OSZE- Vertreter zur Vorbereitung von Wahlen an 30 Orten in Bosnien stationiert werden.

Überschattet wurde die Konferenz vom ungewissen Schicksal der vor einem Vierteljahr abgeschossenen französischen Piloten, deren Freilassung Frankreich ultimativ gefordert hat. Nach Angaben der serbischen Zeitung Nasra Borba sind die Piloten in der Gewalt von General Ratko Mladić. Dieser habe erklärt, sie kämen nur frei, wenn das Tribunal in Den Haag die Anklage gegen ihn fallenlasse. Die Unterzeichnung des Dayton- Abkommens am kommenden Donnerstag in Paris will Frankreich jedoch nicht mit dem Schicksal der Piloten verknüpfen.