Nicht jedem kann man's recht machen

Brandenburgs PDS wollte ein Dorf vor der Zerstörung durch den Braunkohletagebau retten. Doch nachdem Kohlekumpel ihren Parteitag stürmten, revidiert die Partei den Beschluß  ■ Von Christoph Seils

Neuseddin (taz) – Bevor sie zufrieden wieder abzogen, sangen die Braunkohlekumpel „Glück auf, der Steiger kommt“ und stapelten die mitgebrachten „Protestbriketts“ vor einem nahe gelegenen Kindergarten. So etwas hatte die PDS noch nie erlebt. Auch Stunden später war ihr Bundesvorsitzender Lothar Bisky sichtlich beeindruckt. „Ich habe heute viel gelernt.“

Mit einem Beschluß für den Erhalt der Gemeinde Horno hatte die Landtagsfraktion der Brandenburger PDS die eigene Basis im Südosten des Landes in Aufruhr versetzt. Das Dorf Horno steht dem Braunkohletagebau in der Lausitz im Wege. Die 350 Bewohner sollen umgesiedelt werden. Andernfalls, so glaubt die Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft (Laubag), könne der Braunkohletagebau und der rentable Betrieb des Kraftwerks Jänschwalde bei Cottbus über 1998 hinaus nicht fortgesetzt werden. Die IG Bergbau befürchtet in diesem Fall den Verlust von bis zu zehntausend Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Region. Prompt machte das Wort vom „Wahlbetrug“ die Runde. Schließlich hatte sich die Brandenburger PDS bislang immer für den Erhalt des Braunkohletagebaus ausgesprochen.

Also organisierte der Cottbusser Bezirkschef der IG Bergbau, Ulrich Friese, der gleichzeitig für die SPD im Potsdamer Landtag sitzt, 27 Reisebusse. Mit rund 1.500 Braunkohlekumpeln demonstrierte er auf dem Brandenburger PDS-Parteitag in Neuseddin bei Potsdam gegen den Horno-Beschluß. Angesichts des lautstarken Protests blieb den Demokratischen Sozialisten nichts anderes übrig, als die Kumpel in den Tagungssaal zu bitten. Ad hoc setzte die PDS eine zweistündige Diskussion zur Kohle- und Energiepolitik auf die Tagesordnung. Der Riß pro und contra Horno ging quer durch die gesamte Partei. Lothar Bisky, der sich in seiner Rede für den Erhalt des Dorfes Horno aussprach sowie für einen grundlegenden Strukturwandel in der wirtschaftlich fast ausschließlich vom Braunkohletagebau abhängigen Region, mußte sich selbst von Delegierten wütende Zwischenrufe gefallen lassen.

Unter dem Eindruck des Protestes strich der Parteitag den Horno-Passus aus dem Leitantrag und beschloß statt dessen, nach ausführlicher innerparteilicher Willensbildung auf einem Sonderparteitag im Frühjahr die Haltung der PDS zu Entwicklung der Lausitzregion klarzustellen. Den Kumpeln gefiel's. Besänftigt zogen sie wieder von dannen. Der PDS-Parteitag konnte sich seinem eigentlichen Thema, der Kulturpolitik in Brandenburg, zuwenden.

Im Sommer soll im Potsdamer Landtag das sogenannte Umsiedlungsgesetz verabschiedet und das Ende von Horno endgültig besiegelt werden. Auf die Stimmen der PDS-Abgeordneten kommt es dabei gar nicht an, denn die SPD-geführte Landesregierung besitzt im Potsdam die absolute Mehrheit. Während Lothar Bisky also noch darüber sinnierte, welch „schmerzhafte Entscheidungen“ zukünftig noch auf die Brandenburger PDS zukommen könnten, dachte der Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion, Heinz Vietze, weiter. Er überlegte, zu welchem Thema die PDS beim nächsten SPD-Landesparteitag eine Kundgebung organisieren könnte.