„Ich wollte Krach schlagen“

■ Burhan T. schoß im Gerichtsgebäude auf Staatsanwalt - der wurde nicht verletzt. . Vor Gericht fühlt sich der Angeklagte als Opfer, weil er seine Kinder nicht sehen darf

Burhan T. hat sein Ziel erreicht: Seit gestern steht er vor Gericht. Zwar nicht zum ersten Mal in seinem Leben – aber noch nie wollte Burhan T. so dringend dorthin wie jetzt. Sein „Fall“ solle neu aufgerollt werden, verlangt der Angeklagte. „Ich bitte, daß ich meine Kinder sehen kann.“ Nur dafür, so beteuerte der 37jährige , habe er am 28. Juni vergangenen Jahres seinen Revolver auf den Bremer Staatsanwalt Rebmann gerichtet – und abgedrückt.

Tatort war das Bremer Landgerichtsgebäude. Die Sache ging für das Opfer glimpflich aus: Der Schuß ging nicht los. Doch die Anklage lautet auf versuchten Mord: „Es war Zufall, daß der Schuß sich nicht löste“, stellte die Vorsitzende Richterin gestern fest. Der Angeklagte nickt dazu. Er hätte treffen oder sogar töten können – aber höchstens „aus Versehen“, sagt er. Denn eigentlich habe er nur „Krach schlagen“ wollen, damit sein „Fall“ endlich an die Öffentlichkeit komme.

Burhan T. fühlt sich nämlich als Justizopfer. Um die Öffentlichkeit davon zu informieren, rief er deshalb prompt nach „der Schießerei mit dem Staatsanwalt“, wie er sein Attentat nennt, bei Radio Bremen an. „Aber es war immer besetzt. Und die Zeit war knapp. Ich mußte doch zurück in den Knast“, erklärte er vor Gericht. Und richtig: In der JVA Oslebshausen, wo er immer noch einsitzt, wurde er bereits erwartet .

Der „Fall“, den Burhan T. aufrollen wollte, begann 1986. Damals stand er erstmals vor Gericht - wegen versuchter Tötung an seiner Ehefrau. Er wurde wegen gefährliche Körperverletzung verurteilt. Burhan T. ging für viereinhalb Jahre hinter Gitter. Seitdem darf er keinen Umgang mehr mit seinen Kindern haben – aber für diese Auflage gibt es in Burhan T.'s Vorstellungswelt keinen Platz: „Das ist unmenschlich“. Schuld an seinem Leiden habe die deutsche Rechtsprechung. Die hatte den Vater anschließend sechs weitere Jahre in den Knast gebracht, nachdem er mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt geraten war.

Als Opfer, als das er sich fühlt, suchte er auch im Juni 1995 das Gericht auf. Da neigte sich die BTM-Haft bereits ihrem Ende. Nun wollte Burhan T. wegen der Kinder nochmals „richtig Krach schlagen“. Warum er dafür die Tatwaffe mitnahm und morgens die Munition im Bürgerpark noch zurechtfeilte, weiß er nicht genau. An Platzpatronen habe er einfach nicht gedacht, antwortet er verblüfft auf die Frage des Staatsanwaltes. Und den zweiten, scharfen Revolver von einem Freund habe er nur zur Verteidigung besorgt, „wenn die Polizei kommt und auf mich schießen will“.

Diese Phantasien trafen nicht ein. Zuerst traf er im Gerichtsgebäude niemanden an, der überhaupt mit ihm sprechen wollte. Auch Staatsanwalt Rebmann, den er auf dem Gang ansprach, wollte den „Fall“ Burhan T. nicht erörtern. Darauf hin sei Burhan „wie dem letzten Tropfen im Glas Wasser“ gegangen. Er sei einfach übergelaufen. Durchgedreht. Burhan T. schoß. Und glaubt immernoch, irgendwie im Recht zu sein. Denn daß ein Vater seine Kinder nicht sehen darf, dafür kann es keine Begründung geben. Und er wollte ja nicht töten. Diesen Vorwurf, der sowohl seinen damaligen Angriff auf die geschiedene Frau als auch den aktuellen auf den Staatsanwalt betrifft, scheint der Mann nicht zu begreifen. Noch steht ihm sein Vorwurf an die Justiz im Weg, niemand wolle ihm Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

Das bremische Schwurgericht tat gestern sein Bestes zur Wiedergutmachung: Es widmete Burhan T. alle Aufmerksamkeit der Welt. Drei Stunden lang durfte der Mann seine Geschichte darlegen. „Wenn man zum Arzt geht, fragt der doch schließlich auch, warum man kommt“, fand der das ganz richtig. Deshalb habe er doch auch die ganzen Strafanzeigen gegen alle möglichen Personen des öffentlichen Lebens gestellt: Er wollte schließlich wieder vor Gericht. So gesehen, ist er zufrieden. ede

Nächster Prozeßtermin:

18. Dezember