Fieber in der Schublade

■ Der KUBO-Kunstpreis zum Thema „Reisefieber“ fördert billige Künstlerklischees von der Fremde zutage PreisträgerInnen reisen nach Rom, Paris etc.

Alt ist die Klage über die Seßhaftigkeit der Bremer KünstlerInnen. Wie aber soll frischer Wind in die hiesige Kunstlandschaft wehen, wenn es keine nennenswerten Auslands-Stipendien gibt? Und wenn das Konzept für städtische Gastateliers weiter in den städtischen Amtsschubladen vergammelt? Die wenigen, löblichen Initiativen in dieser Richtung stammen von den KünstlerInnen selbst: Das Künstlerhaus am Deich lädt regelmäßig auswärtige Kompetenz ein, um hier ein paar Wochen lang zu arbeiten; die Werkstattgalerie in der Neustadt zwackt von ihrem kargen Raum ein paar Quadratmeter als Gastatelier ab, im Austausch mit KollegInnen aus Belfast. Das KUBO schließt sich jetzt an. Der Kulturverein im Milchquartier hat das alte Problem zum Motto erhoben: „Reisefieber“ lautet der Titel ihres Plakatwettbewerbs, dessen SiegerInnen für je zwei Monate in die Welt hinaus geschickt werden, nach Brüssel, Rom und Paris.

Am Sonntag fiel die Entscheidung. Sie dürfte der Jury nicht allzu schwer gefallen sein: Mit den Plakatentwürfen der KUBO-PreisträgerInnen Bogdan Hoffmann, Gabriele Konsor und Isolde Loock konnten nur wenige der 56 eingereichten Beiträge konkurrieren. „Wir waren schockiert“, erklärte ELE Hermel vom KUBO, als nach der Ausschreibung die ersten Entwürfe eintrudelten. Viel hastig Hingeschludertes war dabei, wenig wirklich Qualitätvolles kam nach. Dieser Eindruck bestimmt leider auch die Ausstellung aller „Reisefieber“-Beiträge.

Collagen aus bunten Illustrierten-Bildchen, windschief geklebt; brave Filzstift-Schraffuren; betont lustlos hingeschmierte Schriftelemente. Allein handwerklich ist das auf einem erschreckend niedrigen Niveau; sowas ginge kaum im Kunstunterricht der Mittelstufe durch. Dann die Inhalte: Wenn die BremerInnen an „Reisefieber“ denken, an ferne Länder und Menschen, fallen ihnen offensichtlich erstmal billige Klischees zu Papier. Möwen ziehen hin und her; die Stadtmusikanten hat man in die Kalahari verfrachtet – das ist dann wohl Brauchtumspflege in der Fremde. Entweder, den beteiligten KünstlerInnen – keine Unbekannten übrigens – fehlt wirklich eine solide Ausbildung. Oder sie haben eine niedrige Meinung vom Medium „Plakat“. Oder – sie wollten bloß auf die billige Tour einen Auslandsaufenthalt ergattern.

Eine, die es ernst nahm: Anne Hunold, Studentin aus Ottersberg. Ihr Entwurf ist fast reine Farbe. Orange, Gold und Gelb fließen wie in Schlieren ineinander; nur in Andeutungen werden eine Treppe und ein Arkadenbogen sichtbar. Das reicht aus, um reiche Assoziationen in Gang zu setzen, vom Süden, von der Fernweh nach Sonne und anderen Kulturen.

Ganz ohne Schrift kommt auch Nikola Bláskovic aus. Er druckte zwei Bilder übereinander: ein blaues Linienknäuel, darüber Figurengewimmel in Rot. Keine Möwe, kein Roland, kein Stadtmusikant. Und dennoch schickt das Plakat den Betrachter auf Reisen: Stadtpläne kommen in den Sinn, Nerven- und Blutbahnen, unterschiedlichste Wegenetze. Auf denen wuseln die roten Klecksfiguren wie Viren, wie Chiffren für das „Reisefieber“. So funktioniert das Plakat aus der Nähe wie aus der Ferne. Der blaurote Farbkontrast bringt es zum Leuchten; je näher man dem Rätselbild kommt, desto stärker beginnen die feinen Linien zu vibrieren, fiebrig, rastlos, ohne Grenzen.

Thomas Wolff

„Reisefieber“, Ausstellung bis 21.12., tägl. 14.00 - 19.00 Uhr, sonntags 12.00 bis 19.00 Uhr, Beim Paulskloster 12