Sanssouci
: Rundumschlag

■ Einkaufen, Folge 6: Verzweiflung beim Verkaufsgespräch

„I shop therefore I am“, diese Sottise nach Descartes geht natürlich auf das Konto der 80er Jahre. Die New Yorker Künstlerin Barbara Kruger druckte sie 1987 auf die Tragetaschen des Whitney Museum, als letzte Weisheit der zynischen Vernunft. In den 90ern ist Einkaufen plötzlich nicht mehr sexy. Es hat aber wieder viel mit Selbsterkenntnis zu tun. Deshalb muß Barbara Krugers Slogan, was Einkaufen in Deutschland betrifft, unbedingt ergänzt werden: „I shop therefore I am desperate“. Wer hier einkauft, ist der Idiot der Familie. Väter und Ehemänner befassen sich jedenfalls nicht damit. Und Berlin ist ohnehin ein Spezialfall. Verkaufsgespräche verlaufen hier so: „Ich habe mir diese neue Hose gekauft, hätten Sie dazu ein gescheites Oberteil?“ – „Ach, haben Sie schon dumme Oberteile gekauft?“ Oder: „Ich hätte gerne zu diesem Hemd eine Krawatte.“ – „Meinen Sie, es sieht dann besser aus?!“ Präziser Sprachgebrauch! Keine Umgangssprache! Immer schön höflich bleiben! Als Kundin jedenfalls.

Und schließlich sollte man die weltberühmte deutsche Sekundärtugend der Pünktlichkeit nicht missen lassen! Die Geschäfte geben das beste Beispiel. Gerne machen sie schon vor der gesetzlich gebotenen Zeit Schluß. Gerade nach Berlin umgezogen, wollte ich naives Huhn am ersten Samstag im Monat bei Reichelt in der Hauptstraße einkaufen. Langer Samstag? – „Für unsere Angestellten! Die machen heute Inventur.“ Sogar die Geldautomaten der Sparkasse in der Martin-Luther-Straße halten sich an die Geschäftszeiten. Morgens, bevor die Bank aufmacht, habe ich den Automaten noch nie anders angetroffen als „nicht in Betrieb“. Kaum wird geöffnet, funktioniert auch der Automat wieder. Ich warte jetzt eigentlich nur noch darauf, daß sich die Telekom für die Idee begeistert, ihre Leitungen nur zu Geschäftszeiten zu öffnen. Wo sie sich in ihren Werbebroschüren doch so bemüht gibt, dem Kunden beim Gebührensparen zu helfen.

Tatsächlich habe ich in meinen jetzt drei Berliner Jahren nicht eine teurere Anschaffung getätigt (ein Schreibtischstuhl, okay, und ein „Private Fax“, das nach vier Wochen den Geist aufgab). Ich kann mich nicht erinnern, in irgendeinem Laden, durch irgendeine Präsentation oder gar durch den Charme des Verkaufspersonals zu einem unüberlegten Kauf verführt worden zu sein. Dieses angstlustvolle schlechte Gewissen, über die Stränge geschlagen zu haben, mich finanziell unvernünftig verausgabt zu haben, kenne ich einfach nicht mehr. Berlin ist die Stadt der 90er Jahre. In denen ist Einkaufen nicht mehr angesagt. Brigitte Werneburg