■ Standbild
: „Jeder kennt sie“

„ARD-Exklusiv: Monika Weimar“, So., 21.30 Uhr, ARD

Sagen Sie jetzt nichts, Monika. „Bestimmt wollten Sie allein mit Ihren Gefühlen sein.“ Schön, daß Sie die neun Jahre in der Frauenhaftanstalt Frankfurt nicht verplempert, sondern für Englischkurse genutzt haben. „Der Abschied von Herrn Schulte, dem Gefängnispsychologen, ist Ihnen ganz schön schwergefallen“, gell? Ja, das läßt sich Ihnen ansehen. Draußen ist es auch nicht leicht. „Vermissen Sie nicht ihre Mutter?“ Aber jetzt haben Sie ja erst einmal Henry, „einen einfühlsamen Begleiter“, der in London schon seinen Kleiderschrank für sie „freigeräumt hat“. Apropos „frei“: „Freilassung ist noch kein Freispruch.“

Das war schon ein seltsames Interview-Reportage-Telepathie-Gemisch, das die ARD aus „aktuellem Anlaß“ nach dem Mutter-Beimer-Special ins Programm gehoben hat. Die zweite, etwas ungeratenere, dafür aber auch interessantere Mutti der Nation, Mutter Weimar alias Monika Böttcher, ist entlassen worden. Zehn Jahre lang sorgten die von Elternhand – soviel soll feststehen – ermordeten Kinder für Presserummel. Ihre Mutter wurde mal als fremdgehende Ami-Schlampe, die ihre eigenen Kinder aus dem Weg zu einem wilden Lotterleben würgte, mal als Opfer einer voreiligen Justiz und eines hirnkranken Gatten zu Fettgedrucktem. Sie bekam lebenslänglich. Der Prozeß soll nun neu aufgerollt werden, und Frau Böttcher darf erst mal an die frische Luft. Sie will London kennenlernen, und „wir begleiten sie dabei“, sagt Reporterin Ruth-Esther Geiger.

Mit dem Interviewstil der Schmuddelpresse wollte Geiger nichts gemein haben. So fragt sie Reinhard Weimars Mutter artig: „Nein, ich darf Ihren Sohn nicht sprechen? Ah ja.“ Und bevor sie der öffentlichen Frau aus dem Knast eine Antwort abringt, beantwortet sie die Frage lieber selbst. Schweigen beide, wird die Montage geschwätzig, suggeriert, wie gut sich die Frauen auch ohne Worte verstehen. Empathie der penetrantesten Art.

Auch die Erinnerung wird der Entlassenen abgenommen. Sie soll ruhig aus dem Fenster des Privatjets schauen. Wohin ihre Gedanken reisen, wissen Geiger und ihr Team genau. In zitternden Subjektiven geht es noch einmal zur Fundstelle der Leichen, vor die Gerichtstür oder zur Beerdigung.

Peu à peu verläßt Geiger den Standpunkt der intimen Böttcherschen Seelenkennerin. Und vor der alten Bluse („Jeder kennt sie“) mit den belastenden Fasern war dem Reportageteam dann doch nicht eklig. Und wie bereits die Kollegen von der BamS feierten schließlich auch die ARD Böttchers ersten Einkauf in der freien Welt. Nur umarmt sie hier nicht dankbar einen „schlichten, grauen Wollschal“, sondern ein Stück Käse. Birgit Glombitza