Explosive Post vor Österreichs Wahlen

In Graz explodiert ein Umschlag in einem Briefkasten. Zwei weitere Briefbomben werden entschärft. Die Polizei fürchtet eine neue Anschlagsserie vor den Nationalratswahlen am Sonntag  ■ Aus Wien Daniel Asche

Sechs Tage vor der Nationalratswahl in Österreich ist gestern wieder eine Briefbombe explodiert. Zwei weitere präparierte Sendungen konnten rechtzeitig entschärft werden. Bei der Detonation vor einem Postamt in Graz wurde glücklicherweise niemand verletzt. Ein Mädchen, das gerade vorüberging, als die Bombe explodierte, klagte anschließend über Ohrenschmerzen.

Die Bombe detonierte nach ersten Einschätzungen der Behörden gegen acht Uhr morgens in einem Briefkasten im Eingang des Postgebäudes. Ein Beamter sagte, es sei deswegen so wenig passiert, weil der Briefkasten einen starken Eisenrahmen habe.

Zwischen den zerfetzten Umschlägen wurden neben elektronischen Bauteilen und Drähten noch zwei weitere Bombenbriefe gefunden, die jedoch nicht explodierten. Auf einem Umschlag ist als Absender der Direktor eines zweisprachigen Gymnasiums im burgenländischen Oberwart angegeben. Dort waren im März vier Roma durch die Explosion einer Rohrbombe getötet worden. Der Schuldirektor zeigte sich schockiert. Er habe keine Erklärung dafür, wie sein Name auf den Brief gekommen sei: „Vielleicht, weil ich Kroate bin.“ Die beiden unversehrten Briefe sind an Wiener Familien gerichtet.

Sprengstoffexperten des Wiener Innenministeriums wurden nach Graz geholt, um die zwei nicht explodierten Bomben zu entschärfen. Ein Behördensprecher sagte, man könne davon ausgehen, daß es sich um eine weitere Briefbombenserie handele. Vermutlich sind es die gleichen Täter wie bei den vier Bombenserien zuvor. Die österreichische Bevölkerung wurde inzwischen vor weiteren Bombenbriefen gewarnt, Postsendungen werden in der gesamten Steiermark von Postbeamten und der Kriminalpolizei einzeln sortiert.

Zuletzt waren Mitte Oktober in Niederösterreich zwei Bomben explodiert, eine dritte hatte rechtzeitig entschärft werden können.

Bereits im Vorjahr waren ebenfalls sechs Tage vor der Nationalratswahl Briefbomben aufgetaucht. „Eine bestürzende Parallele“, verlautete dazu aus dem Innenministerium. Die Serie von Briefbombenattentaten hatte im Dezember 1993 in Österreich begonnen. Im Zusammenhang mit den Anschlägen stehen die beiden 28jährigen Österreicher Peter Binder und Franz Radl in Wien vor Gericht. Sie sollen die Anschläge aus rechtsextremistischen Motiven verübt haben.

Am nächsten Sonntag werden in Österreich vorgezogene Neuwahlen stattfinden, nachdem die große Koalition aus SPÖ und ÖVP im Oktober geplatzt ist.