Lockruf der Postgewerkschaft

■ Statt Mitgliederschwund ein Besuch beim Phantom der Oper

„Leistung muß sich wieder lohnen“, sagt sich die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) und initiierte eine bundesweiten Wettbewerb gegen den Schwund in den eigenen Reihen. Neue Mitglieder braucht die Gewerkschaft, erging der Aufruf an alle Kolleginnen im Lande. Allein im Bezirk Bremen/Weser-Ems betätigten sich von März bis September rund 145 GewerkschafterInnen als Head-Hunter. Die erfolgreichsten neun nahmen gestern beachtliche Preise entgegen:

Lothar Eickelberg aus der Niederlassung Postdienst Oldenburg sammelte allein 25 von insgesamt 406 neuen Mitgliedern im Bezirk. Dafür erhielt er einen für zwei Personen gültigen Reisegutschein im Wert von 1.200 Mark. „Ich freue mich, daß ich auf diese Weise meiner Familie ein Stück wieder zurückgeben kann“, sagte der Hauptgewinner angesichts der beim Jagen verlorengegangenen Freizeit.

Auch Ralf Höster vom Emdener Postdienst darf verreisen, allerdings nur für 1.000 Mark. Nun hat er auch nur vier Mitglieder geworben. Schlecht gelaufen, könnte sich da Jan Radeke vom Bremer Postdienst sagen. Obschon er 15 Beitrittserklärungen beibrachte, mußte er sich mit einem tragbaren CD-Player für 250 Mark zufriedengeben. Das Los hat nun mal so entschieden. Und so hat es auch entschieden, daß Vera Mügge zwei Theaterkarten für das „Phantom der Oper“ gewann, obwohl sie vor zwei Wochen erst in der Hamburger Vorstellung war.

Dabei fiel das Werben nicht immer leicht, denn 73 Prozent aller Post- und Telekombeschäftigten im Bezirk sind bereits organisiert. Von knapp 30.000 Beschäftigten sind nur 7.000 ohne Gewerkschaftsausweis. Darunter etliche Beamte im gehobenen Dienst, denen die Angst um den Arbeitsplatz ohnehin fremd ist. Einer von ihnen wurde am Rande einer Betriebsratsversammlung geworben. „Ich bin nicht in der Gewerkschaft, weil mich noch nie jemand gefragt hat“, soll er gestanden haben.

Wer solcherart auf die Bringeschuld einer Gewerkschaft setzt, hat ein falsches Verständnis von ihr, betonte Bezirksvorsitzender Harald Schütz. Eine Gewerkschaft sei immer nur so stark wie ihre Mitglieder. Trotz der tarifpolitischen Erfolge der jüngsten Zeit gebe es „eine Menge unzufriedener Leute“ in den Betrieben. „Wir müssen wieder mehr Einfluß gewinnen und mehr Glaubwürdigkeit erlangen“, setzte er markig nach. Gewonnen werden müssen vor allem aber mehr junge KämpferInnen, denn 18 Prozent aller DPG-Mitglieder sind SeniorInnen. dah