„Der Korruptionssumpf ist riesig“

Anti-Korruptions AG des Senats macht öffentliche Baumaßnahmen zum Arbeitschwerpunkt. Bei der Vergabe von Bauaufträgen stinkt's gewaltig in den Bezirks- und Senatsämtern  ■ Von Plutonia Plarre

Gemessen an den großen Erwartungen, die die Gründung der „Anti-Korruptions-Arbeitsgruppe“ des Senats vor einem Vierteljahr hervorgerufen hat, ist das Ergebnis mager: 20 bis 30 Hinweise auf mögliche Korruption sind mittlerweile bei der Arbeitsgruppe (AG) eingegangen. Das erklärte gestern Cornel Christoffel, Leiter der bei der Justizverwaltung angesiedelten AG. Die meisten Hinweise seien von vermeintlich betroffenen Bürgern oder Firmen gekommen, die einen Korruptionsverdacht gegen Amtsmitarbeiter erhoben hätten.

Konkrete Fälle wollte Christoffel nicht nennen. Er deutete aber an, daß die Kontrolle von öffentliche Baumaßnahmen ein Schwerpunkt sein wird. Warnende Beispiele seien Bayern und Hessen. Dort wurden große Bestechungsskandale in der Baubranche aufgedeckt. In Hessen, wo mittlerweile alle Unregelmäßigkeiten bei Bauvorhaben unter dem Oberbegriff Korruption verfolgt werden, schätzt der Präsident des Rechnungshofes den Jahresschaden für das Land auf mindestens 170 Millionen Mark. „Es wäre irreal anzunehmen, daß so etwas in Berlin, der größten Baustelle Europas, nicht passieren kann“, so Christoffel. Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, wird deutlicher: „Der Korruptionssumpf in Berlin ist riesig.“ Die Korruptionssumme betrage mindestens 20 Prozent der von der öffentlichen Hand vergebenen Bauaufträge.

Von der grünen Abgeordneten stammen drei der Hinweise, mit denen sich die Anti-Korruptions AG nun herumschlägt. So fordert Ziemer die AG auf, doch einmal der Geschichte des früheren Prokuristen der Neuen Heimat (NH), Gerhard Becker, nachzugehen. Obwohl Becker wegen Betrugs bei Rechnungen von Sozialbauten bereits vor Gericht gestanden hatte, war er nach der Wende Geschäftsführer der Lichtenberger Wohnungsbaugsellschaft (WBL) geworden.

Bald kam heraus, daß die WBL mehrere Gewerberäume für 18 Monate mietfrei ans Rotlichtmilieu vermietet hatte. Die Verträge trugen Beckers Unterschrift. Die Rotlichtmieter wiederum vermieteten die Räume zu sofort zahlbaren, horrenden Summen. Obwohl Wirtschaftsprüfer zu dem Schluß kamen, daß es bei der WBL gewaltig stinkt, erstattete der Aufsichtsrat keinswegs Anzeige gegen Becker, sondern legte ihm nur nahe, zu gehen, und belohnte ihn noch mit 310.000 Mark Abfindung.

Ein anderer Fall, mit dem Ziemer die Anti-Korruptions AG eingedeckt hat, dreht sich um einen Mitarbeiter des Hochbauamtes Spandau, Lothar P. Der Mann wurde nach der Wende auf den gleichen Posten nach Hohenschönhausen abkommandiert und beschäftigte dort bei bezirklichen Bauvorhaben die gleichen Firmen wie in Spandau. Als herauskam, daß verschiedene Firmen Aufträge abgerechnet hatten, die sie gar nicht erbracht hatten, sollte P. vom Dienst suspendiert werden. Daraus wurde aber nichts, weil er damit gedroht haben soll, andere Köpfe zum Rollen zu bringen, so Ziemer. Also wurde P. Energie- und Asbestbeauftragter beim Spandauer Bezirksamt. Lediglich ein Disziplinarverfahren soll noch gegen ihn anhängig sein.

Den Fall des Lothar P. hält Ziemer für symptomatisch, weil er die mangelnde Kontrolle bei der Vergabe von öffentlichen Baumaßnahmen zeigt. Derzeit sei die Praxis bei den Bezirks- und Senatsämtern so, daß nur ein ganz geringer Anteil der Bauaufträge öffentlich ausgeschrieben werde. Der Rest gehe einfach so an bestimmte Firmen weg. „Alle, die etwas von Korruption verstehen, sagen, ohne den Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung geht es nicht, weil nur so eine Konkurrenzsituation geschaffen wird“, so Ziemer. Daß der Senat die Anti-Korruptions AG eingerichtet habe, sei zwar gut und schön, aber das grundlegende Übel könne nur durch eine Strukturveränderung beseitigt werden.