Im Glashaus der Gegenwartskunst

Das MAK lagert Ilya Kabakovs Installation „No Water“ im Wiener Geschützturm Arenbergpark  ■ Von Anja Helmbrecht

Monumental ragen die drei Wiener Flaktürme mit gleicher Höhe in den Himmel. Der älteste der zwischen 1943 und 1944 von Berliner Privatbaufirmen errichteten Giganten, die als unzerstörbare Zeugen des NS-Regimes die innere Stadt zum Dreieck angeordnet umfassen, steht im Arenbergpark, so als füge er sich mit allergrößter Selbstverständlichkeit in die Gründerzeitfassaden der umliegenden Häuser ein. Er dient heute weder dem Schutz der Zivilbevölkerung noch der Flugabwehr. Der Turm avancierte vielmehr über die Jahre zum zwangsläufig tolerierten Denkmal.

Das österreichische Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien nutzt heute den seit Ende des Krieges sich selbst überlassenen Flakturm als Depot für Gegenwartskunst. Der Geschützturm Arenbergpark im dritten Bezirk bietet auf diese Weise museumseigenen Arbeiten, etwa von Kiki Smith, Vito Acconci oder Heinz Günther Leitner, einen neuen Präsentationsrahmen. Die zumeist großformatigen Raumobjekte oder Installationen der Künstler, die speziell für eine vom MAK konzipierte Ausstellung entstanden sind, erhalten hier einen Platz im Depot der Sammlung.

Im September nutzte das Museum für Angewandte Kunst die Fertigstellung einer Installation von Ilya Kabakov, um mit seiner Dependance an die Öffentlichkeit zu treten. Einmal pro Woche sollte nach Voranmeldung eine Führung zu den ausgelagerten Kunstwerken im Arenbergpark stattfinden. Doch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur entschied, obwohl es der Öffnung zunächst stattgegeben hatte, daß der zwar innen sanierte, jedoch im ganzen marode und fensterlose Bunker aus Sicherheitsgründen für einen größeren Besucherstrom nicht freigegeben werden könne. Dieser Erlaß wäre einleuchtend, wenn der Bau mit einer wahren Touristenflut zu rechnen hätte. Im Rahmen des vorgelegten Konzepts jedoch, das nur via Voranmeldung interessierten Besuchern das Depot zugänglich machen wollte, ist das Handeln des Ministeriums eher unverständlich.

Scheinbar zufällig hat Ilya Kabakov, der russische Konzeptkünstler mit wechselnden Wohnsitzen im Westen, diesen Konflikt in seiner neuen Installation thematisiert. Ein Glashaus, schon von außen einem Gewächshaus ähnlich, dehnt sich in die Tiefe des Depots. Bedingt durch sein Exiliertendasein sieht sich Kabakov selbst nur zu gern als „verpflanzter Mensch“. Mit der Installation hat er sich in dem Haus mit den transparenten Wänden einen vermeintlichen Ort der Kontemplation geschaffen. Offensichtlich wurde das wichtigste Element eines solchen Treibhauses vergessen – das Wasser.

Die Installation, deren Titel „No Water“ sich explizit auf den Mangel bezieht, präsentiert mit fertig beschrifteten Feldern angelegte Beete, die, getrennt voneinander, auf schmalen Zierwegen zu begehen sind. Der Erwartungshaltung im botanischen Garten ähnlich, versucht man ihre Kargheit zu akzeptieren, indem man sich vorstellt, womöglich die Jahreszeit für den Besuch gewählt zu haben. Doch vergeblich. Die nackten Felder werden nicht sprießen, und auch sonst wird dieser zur Funktionslosigkeit stilisierte Ort nichts Frisches hervorbringen. Bleiben nur Frust oder Illusion.

Die Stahl und Glaskonstruktion des Gewächshauses hatte Kabakov bereits im Frühjahr 1994 für die Installation „Der rote Wagon“ entwickelt, die im Rahmen der Ausstellung „Tyrannei des Schönen; Architektur der Stalin-Zeit“ im MAK präsentiert wurde. Die auf dem Terassenplateau des Museums eingerichtete Installation zeigte einen mit roter Farbe angestrichenen Personenwaggon, in dessen Inneren man sich zu eingespielten Volksweisen melancholischen Charakters niederlassen konnte. An der vom Eingang aus rechten Schmalseite der gewaltigen Konstruktion war am Fuße des Waggons eine Holzleiter installiert, die eine diagonale Bresche durch den Glasraum schnitt. „Der rote Wagon“ symbolisierte die immer auf etwas Zukünftiges ausgerichtete Utopie der Sowjetmacht. Eine formgebende Ästhetik, die gegenwärtige Ziele zur Entfaltung einer eigenen Formensprache braucht, ließ sich aber gerade aus dem Zwang zum ständigen Fortschritt nicht finden. Zuletzt blieb nur eine künstlerische Konturlosigkeit zurück.

Ähnlich beschreibt Boris Groys Kabakovs Arbeiten als Metapher des menschlichen Lebens, die aus der Faszination für eine Sache oder Umgebung motiviert werden, jedoch nach ihrer Realisierung der Frustration und Perspektivlosigkeit anheimfallen. Die aus der Umrahmung des „Roten Wagons“ gefertigte Gewächshausinstallation verdeutlicht diesen Zustand in verschiedener Hinsicht: in der Polarität von Schutzort und Gefängnis, die sowohl den Ausstellungsort als auch den durch die Installation geschaffene Raum kennzeichnet, ebenso wie in ihrer Interaktion. Die Installation spielt mit der sterilen Atmosphäre des Ortes und der eigenen, scheinbaren Fruchtbarkeit, die sich bei näherem Hinschauen als Attrappe entpuppt und somit ihren Sinn ad absurudum führt. So gesehen kann auch die Installation „No Water“, in der Folge zum „Roten Wagon“, als Antidenkmal betrachtet werden. Die Intention vieler Arbeiten Ilya Kabakovs liegt in der Suche nach der eigenen Identität. Der konzeptuell arbeitende Künstler, der den Großteil seines Lebens in der Sowjetunion verbrachte, versucht in der Konfrontation mit den verschiedenen Strömungen der westlichen Ästhetik, zu seinen Wurzeln zurückzufinden.

In Österreich läuft währenddessen der Disput um das zu errichtende Museumsquartier im Wiener Messepalast auf Hochtouren. Die Kriterien für einen Museumsbau gehen heute zwischen den Fachleuten nicht weniger auseinander als in der politischen Diskussion. Besonders durch die Länge des Zeitraums, über den sich dieser Streit mittlerweile erstreckt, tragen diese Verhandlungen kaum etwas zur Entlastung der ohnehin schwierigen Museumspolitik bei. Die bevorstehenden Neuwahlen der ins Wanken geratenen zweiten Republik werden nicht zuletzt auch über die Zukunft dieses Projekts entscheiden.

Im Cantz Verlag ist „Die totale Maschine“ mit einem Text von Ilya Kabakov erschienen (58 DM)