■ Japans Marsch in die technologische Sackgasse
: Ausgebrütet

Mitte der siebziger Jahre puzzelten in den USA 6.000 Menschen am Prototyp eines Schnellen Brüters. In der Bundesrepublik, Belgien und den Niederlanden entwickelten 2.500 Menschen die Komponenten für den „Schnellen Natriumgekühlten Reaktor“ SNR-300 in Kalkar. In Frankreich, Großbritannien und der Sowjetunion gingen Prototypmeiler mit Leistungen um 300 Megawatt in Betrieb. Die Bundesregierung plante für die 80er Jahre einen ersten Brüter mit bis zu 2.000 Megawatt elektrischer Leistung. In den Industriestaaten herrschte ein ebenso eindimensionaler wie allumfassender Konsens über die Energiezukunft: Öl, Gas, Kohle – und auch Uran gehen zu Ende. Kernfusion geht spät oder überhaupt nicht. Sonne ist was für Spinner. Bleiben die Brüter, die ihren Brennstoff nach Art eines Perpetuum mobile selbst erzeugen. „Es gibt keine andere gesicherte Alternative zur langfristigen Energieversorgung.“ So 1973 Klaus Traube, der nun schon seit zwanzig Jahren für die Sicherung eben solcher Alternativen wirbt.

Und heute? Dreistellige Milliardenbeträge sind weltweit in den Sand gesetzt, ganze vier Brutreaktoren in Betrieb. Manchmal. Keiner von ihnen brütet. Eine Uranverknappung, damals das zentrale Argument für den Übergang von konventionellen Atomkraftwerken zu Schnellen Brütern, ist nicht in Sicht. Plutonium gibt es im – beunruhigenden – Überfluß. Jetzt sollen die Brutreaktoren überschüssiges Bombenplutonium in ihrem Kern vernichten, um das Risiko der Weiterverbreitung von Atomwaffen zu mindern. Nicht ernsthaft, sondern symbolisch. Motto: Seht her, er ist doch zu etwas nütze.

Japan, das Vorzeigeland für industrielle Zukunftsfähigkeit, hat sich verspätet. Und steht nun ziemlich allein in der Sackgasse. Im Jahr 2010 wollten japanische Atomtechniker ihren ersten kommerziellen Großbrüter bauen. Nun holen sie die Erfahrungen nach, die andere lange hinter sich haben. Wer nicht hören will, muß fühlen. Das Brüter-Konzept ist nicht nur ökonomisch, es ist auch technisch gescheitert. Das heiße Metall Natrium taugt weniger als Kühlmittel denn als zuverlässiges Abschaltsystem für den Brüter- Irrweg insgesamt.

„Der Kalkar-Brüter steht jetzt in Japan“, maulte 1992 ein Unentwegter aus der ehemaligen Reaktorschmiede in Karlsruhe. Kalkar bleibt ein Freizeitpark. Mit Feuerwerk, aber garantiert ohne Natrium. Gerd Rosenkranz