■ Grüne: Umdenken oder die pazifistische Utopie bewahren?
: Vor einer existientiellen Diskussion

Nachdem Joschka Fischer im Sommer mit seinem „Interventionsbrief“ die Partei mitten ins Herz getroffen hatte, wollten viele in der Partei Fischer sogleich an die Front schicken: Eine „wirkliche Tat“, so hielt etwa der linke Vormann Ludger Volmer seinem Parteifreund vor, könne dieser – seiner eigenen Interventionslogik folgend – eigentlich nur noch dann vollbringen „wenn er sich eine Waffe beschaffen und nach Sarajevo gehen würde“.

Gewiß, diese Reaktion diente im ersten verbalen Kampfgetümmel vor allem dem Ziel, Fischers Glaubwürdigkeit als Person zu erschüttern. Streicht man diese Absicht weg, so bleibt eine existentielle Frage, der sowohl Realos als auch Linke bisher ausgewichen sind. Es geht um nichts Geringeres als um eine Neubewertung des Militärischen und um die moralische Beurteilung des Soldatseins. Hier steht den Grünen – ja dem gesamten rot-grünen Milieu – nach dem Abstimmungsverhalten der Fraktion eine schmerzhafte Diskussion bevor, die die bisherigen individuellen moralischen Gewißheiten aller Beteiligten tangieren wird. Abtauchen hilft nun nicht mehr. Und das ist gut so – für die Grünen wie für die Gesellschaft insgesamt.

Bittere Konflikte sind dabei unausweichlich, weil zum heterogenen rot-grünen Milieu Radikalpazifisten und „Soldaten sind Mörder“-Apologeten ebenso gehören wie Interventionsbefürworter mit und ohne Wehrpaß. Wer der internationalen Gemeinschaft als Ultima ratio kollektive Gewaltdrohung und -ausübung bei Völkermord zugesteht, der muß auch bereit sein, selbst dafür sein Leben zu riskieren. Gewiß, das Grundrecht, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst zu verweigern, steht jedem Wehrpflichtigen zu, – auch Interventionsbefürwortern. Als politisches Milieu müssen sich die Interventionisten aller Schattierungen – also auch die Linken, die Soldaten unter dem UN-Oberkommando fordern – jedoch der Frage stellen, wo die Menschen für diese mit dem Tode bedrohte Aufgabe herkommen sollen. Von den Soldaten der Bundeswehr hier quasi stillschweigend ein Art „Dienstleistung“ zu erwarten und ansonsten so weitermachen wie bisher ist ein allzu bequemer Ausweg. Eine internationalistische Interventionsmacht braucht Internationalisten in ihren Reihen. Von der Bundeswehr in Auftrag gegebene Befragungen von Jugendlichen weisen aber darauf hin, „daß die Bundeswehr zunehmend für junge Männer attraktiv ist, die den demokratischen Prinzipien kaum oder gar nicht verbunden sind“. Eine Aufgabe der Interventionisten ist es, diese Gefahr zu bannen. Walter Jakobs