Großbritannien legt Atomkraftwerke auf Eis

■ Strommanager: Atomstrom hätte am Markt keine Chance. Greenpeace jubelt

Dublin (taz) – Großbritannien baut keine neuen Atomkraftwerke mehr. Das Unternehmen British Energy, das demnächst privatisiert werden soll, gab vorgestern abend bekannt, daß die Pläne für den Druckwasserreaktor SizewellC in Suffolk und für Hinkley PointC in Somerset auf Eis gelegt werden. Erst im vergangenen Februar hatte SizewellB den Betrieb aufgenommen. Die beiden neuen Reaktoren sollten eigentlich 2001 und 2002 ans Netz gehen, die Baugenehmigungen lagen bereits vor.

Der Geschäftsführer von British Energy, Robert Hawley, begründete die Entscheidung damit, daß die beiden Atomkraftwerke wirtschaftlich nicht tragbar seien. Zum einen bestehe ein Überangebot an Strom, sagte Hawley, zum anderen habe die Aufsichtsbehörde eine Preisgrenze festgelegt. Bridget Woodman von Greenpeace begrüßte die Nachricht: „British Energy hat endlich begriffen, was alle anderen seit sechs oder sieben Jahren wissen: Wer seinen Verstand beisammen hat, investiert kein Geld in ein Atomkraftwerk, weil es finanziell und ökologisch viel zu riskant ist.“ Hawley ist jedoch davon überzeugt, daß man auf Atomkraft zurückkommen werde – „wenn die Preise für Gas steigen und der Treibhauseffekt weiter zunimmt“.

Professor Ian Fells von der Universität Newcastle glaubt, daß die Entscheidung gegen den Bau neuer Atomkraftwerke ein akutes Sicherheitsrisiko für die bestehenden Anlagen darstelle. „Für jeden schrumpfenden Industriezweig gilt, daß es schwer ist, die Moral aufrechtzuerhalten“, sagte er. „Unter diesen Umständen mache ich mir Sorgen um die Kultur der Sicherheit in der Atomindustrie.“

Es gibt in Großbritannien noch 16 Atomkraftwerke, in denen knapp 10.000 Menschen beschäftigt sind. Die Anlagen liefern rund 30 Prozent des britischen Stroms. Hinzu kommt der Atomstrom aus Nordfrankreich, der durch ein Unterseekabel eingespeist wird.

Sprecher der Gewerkschaften zeigten sich enttäuscht über den Verzicht auf neue Atommeiler. Und auch in der Bauindustrie gab es hängende Köpfe. Dort hatte man mit rund 10.000 neuen Arbeitsplätzen beim Bau der Meiler gerechnet. Ralf Sotscheck