Bundesanwalt ermittelt gegen Teheran

Drei Jahre nach dem Mord an vier iranischen Oppositionellen in dem Berliner Restaurant „Mykonos“ weisen die Spuren nur noch zum iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian  ■ Aus Berlin Vera Gaserow

Am 133. Verhandlungstag im Berliner Mykonos-Prozeß schlug der Zynismus Kapriolen. Auf vier dichtbeschriebenen Seiten beantragten die Verteidiger, einen hochrangigen Entlastungszeugen zu laden, den iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian. Der werde bekunden, daß der wegen Mordes an vier iranischen Oppositionellen auf der Anklagebank sitzende Kazem Darabi nie Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes gewesen sei. Der Zeuge tut gut daran, nicht zu kommen. Bei der Ankunft auf dem Flughafen müßte er mit seiner Festnahme rechnen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Mordverdachts. Ob auch ein Haftbefehl gegen den Minister vorliegt, dazu wollte sich die Bundesanwaltschaft gestern nicht äußern.

Ali Fallahian soll das Attentat im Berliner Restaurant „Mykonos“, bei dem im September 1992 die Führungsspitze der „Demokratischen Partei Kurdistan – Iran“ (KDP-I) ausgelöscht wurde, angeordnet haben. Wohl zum ersten Mal erhebt die Karlsruher Bundesanwaltschaft damit indirekt den Vorwurf des Staatsterrorismus gegenüber einem Staat, zu dem die Bundesregierung rege Beziehungen unterhält. Aus Teheran kam gestern der gekränkte Protest: Das Verfahren „entbehre jeglicher Grundlage“, ließ ein hoher Geheimdienstbeamter in der Tehran Times verkünden; es verletze „unseren nationalen Stolz“.

Der des vierfachen Mordes verdächtigte Geheimdienstminister Ali Fallahian war einst von Bonn hofierter Gast. Zwei Wochen vor Beginn des Prozesses um das Mykonos-Attentat ließ Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer, Koordinator für die bundesdeutschen Geheimdienste, ihm bei einem offiziellen Besuch nachrichtendienstliches Know-how vorführen.

Ein halbes Jahr später mußte Schmidbauer einräumen, daß der iranische Minister bei seiner Visite noch etwas anderes wollte: Fallahian, so gab Schmidbauer als Zeuge im Mykonos-Verfahren widerwillig preis, habe versucht, die bundesdeutsche Seite zur Aussetzung des Prozesses zu drängen.

Die iranische Intervention zugunsten der Angeklagten war damals als untrügliches Zeichen für die Verwicklung des Iran in den Mordanschlag gewertet worden. Und schon zum damaligen Zeitpunkt hatte die Bundesanwaltschaft eine Anklage gegen den iranischen Minister erwogen.

Warum der Schritt jetzt erfolgt, darüber läßt sich nur spekulieren. Die Einleitung des Verfahrens sei Angelegenheit der Staatsanwälte und weder mit dem Auswärtigen Amt noch dem Justizministerium abgesprochen, erklärt die Bundesanwaltschaft. Eigentlich war erwartet worden, daß die Bundesanwälte zunächst das Ende des Mykonos-Prozesses abwarten würden. Der wird sich bis ins nächste Jahr hineinziehen. Die offizielle Lesart der Bundesanwaltschaft lautete gestern, die „Erkenntnisse“ und „tatsächlichen Anhaltspunkte“ der bisherigen Beweisaufnahme hätten den Verdacht gegen Fallahian so verdichtet, daß ein Ermittlungsverfahren zwingend sei.

Tatsächlich hat der sich seit zwei Jahren hinschleppende Prozeß erdrückende Indizien dafür geliefert, daß der iranische Geheimdienst den Mord an den Oppositionellen in Auftrag gegeben hat. Doch die Hauptanhaltspunkte dafür sind nicht erst im Laufe des Verfahrens geliefert worden. Sie sind den deutschen Sicherheitsbehörden und der Bundesanwaltschaft seit über zwei Jahren bekannt und stammen aus amtlichen Quellen: Mit außergewöhnlicher Ausführlichkeit haben Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz ihr (geheimes) Wissen über die Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes offengelegt. Am deutlichsten wird dabei eine interne „Behördenauskunft“ der Verfassungsschützer. Nach „Erkenntnissen verschiedener zuverlässig berichtender Quellen“ stehe fest: Der Hauptangeklagte des Mykonos-Verfahrens, der Iraner Darabi, war mindestens seit Ende der 80er Jahre Mitarbeiter des iranischen Nachrichtendienstes VEVAK. Darabi gilt zudem als Angehöriger der gefürchteten „Revolutionswächter“. Er fungiere als Mittelsmann zwischen der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen Einrichtungen im Bundesgebiet und stehe in ständiger Verbindung zum iranischen Generalkonsulat. Für die Tatzeit hat Darabi ein Alibi. Doch einer der Mitangeklagten hat ihn in einem ersten Geständnis als Anstifter und Organisator beschuldigt.

Sollte sich eine Beteiligung des Iran an dem Mykonos-Anschlag erweisen, so will Minister Schmidbauer seinem Amtskollegen Fallahian bei seinem Deutschland-Besuch unmißverständlich erklärt haben, dann bedeute das „die Eiszeit in den diplomatischen Beziehungen“. Die Bundesanwaltschaft hat jetzt schon den Winter ausgerufen.