Oskar schmeißt den Euro-Zeitplan um

Lafontaine forderte vor der Bundespressekonferenz einen Aufschub der Währungsunion und einen nationalen Beschäftigungspakt: Keine Währungsstabilität zu Lasten anderer Ziele  ■ Aus Bonn Hans Monath

Oskar Lafontaine will notfalls die Europa-Uhr anhalten: Bei seinem ersten Auftritt vor der Bundespressekonferenz nach seiner Wahl in Mannheim hat sich der neue SPD-Chef gestern in Bonn für eine Verzögerung der europäischen Währungsunion ausgesprochen. Lafontaine forderte zudem einen nationalen Beschäftigungspakt. Den Zustand der Bundesregierung bezeichnete er als „desolat“: Statt die Probleme des Landes zu lösen und Reformen voranzubringen, beschäftige sich die Koalition fast nur noch mit sich selbst.

Der Kampf gegen unerwünschte Wirkungen einer falsch vorangetriebenen Währungsunion und die Forderung nach einer aktiven Arbeitsmarktpolitik bildeten die zentralen Botschaften in Lafontaines fast einstündiger Tour d'horizon durch die aktuelle Politik, die der neue SPD-Chef ohne große innere Beteiligung zu absolvieren schien. Nur in seinen Attacken auf die Bundesregierung zeigte der saarländische Ministerpräsident Kampfgeist.

Lafontaine bekannte sich zur politischen und ökonomischen Notwendigkeit der Währungsunion. Sie dürfe aber nicht zu einem „gesamteuropäischen Rezessionsprogramm“ werden, indem der Währungsstabilität vor allen anderen Zielen Priorität eingeräumt werde, warnte er: Ein „Europa der Massenarbeitslosigkeit und der sozialen Ungerechtigkeit“ würde die politische Akzeptanz verlieren. Bevor die Währungsunion zum „Sprengstoff für die europäische Einigung“ zu werden drohe, sei es deshalb besser, „die Zeitpläne des Maastrichter Vertrages zu korrigieren“.

Eine einseitige Fixierung auf die Geldwertstabilität zu Lasten anderer wirtschaftlicher Ziele warf Lafontaine auch der Bundesregierung vor. Die steigende Arbeitslosigkeit zeige, daß die Koalition „auf dem wichtigsten Feld der Politik versagt, nämlich bei der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“.

Seine eigene Partei sieht Lafontaine seit seiner Wahl vor rund vier Wochen im Aufwind: „Wir spielen weiter auf Angriff.“ Dagegen habe sich der vom „alten Schlachtroß“ Helmut Kohl nach dem SPD-Parteitag angekündigte neue Aufgalopp der Koalition als „ziemlich müder Trab“ erwiesen. Zur naheliegenden Frage, ob er angesichts dieser Schwäche eine große Koalition ausschließe, wollte sich der SPD-Chef nicht äußern.

Zum Angebot des PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky, die Zwangsvereinigung von KPD und SPD gemeinsam historisch aufzuarbeiten, wollte Lafontaine nicht klar Stellung beziehen. Es sei notwendig, daß Bisky zuerst „eine Aufarbeitung in der eigenen Partei“ zustande bringe, sagte Lafontaine. Deutlicher hatte zuvor SPD-Vize Wolfgang Thierse die Offerte ausgeschlagen: „Ein derart beschönigendes Papier bietet für einen wissenschaftlichen Diskurs keine Grundlage“, sagte Thierse zur Ausarbeitung der historischen Kommission der PDS, die es ablehnt, von einer „Zwangsvereinigung“ zu sprechen.