Die Leere zwischen den Events

■ Wie lockt man mit Kultur mehr Touristen nach Bremen, fragte sich der Arbeitskreis Freizeit & Tourismus auf einer Podiumsdiskussion in der Angestelltenkammer

Woran denken TouristInnen, wenn sie an Bremen denken? An die Stadtmusikanten, die Breminale, an die Böttcherstraße, Soziokultur oder Werder Bremen? Oder an gar nichts. Denn, so die bittere Erfahrung Jutta Gräbners vom Verkehrsamt auf ihren Reisen zu den wichtigen Tourismus-Fachmessen: „Bremen hat kein Image.“ Und auch keine touristische Zukunft? Der Frage, ob es Bremen gelingen könnte, mehr TouristInnen anzuziehen und, wenn möglich, gar solche Reisende, die sich vom Kulturangebot in die Hansestadt locken lassen, widmeten sich vorgestern abend in der Angestelltenkammer Vertreter aus Verwaltung, Kulturleben und Wissenschaft.

Soziologisch Relevantes lieferte eingangs Albrecht Göschel vom Deutschen Institut für Urbanistik, Berlin. „Images“, so Göschel, „sind praktisch nicht mehr korrigierbar“. Zumal, wenn sie aus der Außenperspektive kommen, also etwa ein Münchener etwas zu Bremen einfällt. „Frankfurt/Main ist die einzige Stadt, von der man geglaubt hat, daß sie es geschafft hätte, durch das neue Museumsufer vom Image „Mainhattan“ wegzukommen. Aber wahrscheinlich hat das auch nicht geklappt.“ Sogenannte weiche Standortfaktoren wie die nicht in Zahlen erfaßbare kulturelle Viel- oder Einfalt einer Region sind, so Göschel, immer noch weit unwichtiger für „Entscheider“, etwa ihren Betrieb in eine andere Stadt zu verlegen als harte Fakten. Zwar lasse sich mit Kultur auf Bürgerhausniveau odedr Straßenfesten ein gewisser Umfeld-Tourismus erzielen, aber „das sind dann Leute, die schlafen bei Freunden und essen bloß eine Pizza in der Kneipe des Veranstaltungsortes“. Und: „Bürgerhäuser sind der Inbegriff des Nicht-Events.“

Mit welchen Top-Events lockt man aber eine Busladung hotelübernachtungswilliger TouristInnen mit Taschengeld aus Duisburg an die Weser? Oder gar Miss Saigon-infizierte Geschäftsleute mit Mastercard auf Incentive-Tour? Problem dabei: Bremen habe als einzige deutsche Stadt keine Festivaltradition, so Narciss Göbbel als Vertreter der Kulturverwaltung. Das Image und auch den Klang der Breminale zu nutzen, habe man seinerseits verschenkt. „Berlinale und Breminale, das kann man sonst an keinen Stadtnamen anhängen.“ Daß eilige Business-Leute zwischen zwei Terminen mal auf dem Straßentheater-Festival haltmachen und sich vielleicht hinreißen lassen, noch eine Nacht zu bleiben, erhofft sich Stephan Pleyn vom Theaterbüro im Kontorhaus. Dort werden u.a. der Bremer Karneval und das Straßenzirkustreffen „La Strada“ organisiert. Statt auf teure Einzel-Events setzt Pleyn auf die langfristig wirkende „Erlebnisqualität Bremens an sich.“ Ob die tatsächlich sehr weit ausstrahlt in die Republik und darüber hinaus fragt sich auch Jens Joost-Krüger von StadtLandFluß e.V. Zwar würden die angeboteten Torfkahnfahrten nach Vegesack sogar überregional angefragt, doch ansonsten hat er die gleichen Erfahrungen gemacht wie die Dame vom Verkehrsverein: Bremen hat kein Image. Aber warum wuchert die Stadt nicht mit ihren vorhandenen Pfunden? Weil „weder Breminale noch La Strada einen einzigen Tou1 risten nach Bremen ziehen, sagt Jutta Gräbner. Außerdem: Unter den Kulturveranstaltern „redet keiner mit dem anderen“ hat der Neu-Bremer und neue Manager der „Glocke“, Andreas Schulz, mit Bedauern festgestellt.

Wenn Soziokultur keine Hotelbetten füllt und auch die Kommunikation in der Stadt über zu planende Events brachliegt, brächte dann Andrew Lloyd Webber mit einem Musical über die Stadtmusikanten die Rettung? „Das würde etwa im Jahre 2005 den break even point erreichen“, grinst Narciss Göbbel.

Patentrezepte zur wundersamen Touristenvermehrung gab es nicht am Ende der Diskussion. Albrecht Göschel vom Institut für Urbanistik schien gegen Ende auch ganz froh drum und legte harte Thesen vor: „Jeder Touristenbus mehr in der Stadt bedeutet einen Verlust an Lebensqualität. Die „Festivalisierung“ einer Stadt diene bloß der Verschleierung ihrer Realität.“ Außerdem: In einigen süddeutschen Städten herrsche die Ansicht vor, daß es „so was wie Bremen gar nicht zu geben bräuchte.“

Alexander Musik