Dieses Tussenhafte als Schönheitsideal

■ Avantgarde-Modedesigner in Berlin, 5. Teil. Schmieriger Touch: „Püppie's“ machen mit Wühltisch-Ästhetik die Geschmacklosigkeit der Berliner zur Tugend

„Püppie“ – so heißt nicht nur das mittlerweile verstorbene Schoßhündchen von Ilka Bohnenkamps Oma, sondern auch das Mode-Label, das die junge Modemacherin mit ihrer Freundin und Designerkollegin Britta Schwarz vor zwei Jahren gegründet hat.

Bis vor kurzem noch spielten sich die modischen Machenschaften der beiden Senkrechtstarterinnen nur im verborgenen ab. Doch dann haben „Püppie's“ – aller namhaften Konkurrenz zum Trotz – den ersten Preis der diesjährigen Herbstausgabe der AVE-Messe gewonnen. Zwar konnte man ihre ersten drei Kollektionen auch in den Szeneboutiquen „Daydream“ und „DNA“ erwerben, doch um öffentliche Präsentationen hatten sie sich bis dato noch gedrückt.

„Die meisten Modenschauen, bei denen wir etwas hätten machen können, fanden wir irgendwie nicht so gut“, redet Britta Schwarz sich ein wenig verlegen heraus, „doch dann haben wir beschlossen, uns einfach mal bei der AVE zu bewerben. Das ist schließlich neutrales Terrain.“ Und dort, wo jährlich über 30 mehr oder weniger schräge Designer um Aufmerksamkeit buhlen, fiel ihre Herbst/ Winter-Kollektion erstmals einem großen Publikum auf.

Die meisten Berliner Modemacher beklagen die schlechten Bekleidungsgepflogenheiten ihrer Mitbürger. Nicht so „Püppie's“. Nach dem Motto: „Hier ein abgetrennter Knopf, dort ein Fleck oder loser Faden – was macht das schon?“, finden sie diese durchaus animierend. Ihre überwiegend aus Secondhand-Materialien gearbeitete Damenmode läßt – nicht zuletzt durch die Farbgebung, in der Rot- und Hauttöne kompromißlos aufeinanderprallen – zunächst einmal freie Assoziation „Pommes rot-weiß“ zu.

Knopfleistensprengende babysized Oberteile dominieren das Bild. „Busenbetont“ nennt man so etwas heute. Kombiniert werden sie mit Strumpfhosen von Aldi, Schuhen vom Flohmarkt, superknappen Röcken und Heißen Höschen. „Wir lieben diesen leicht schmierigen Touch unserer Klamotten“, gesteht Ilka Bohnenkamp, „dieses Tussenhafte, das zum Beispiel die vierschrötigen Halbweltdamen am Stuttgarter Platz an sich haben.“

Auch sonst lassen sie sich von Cheapness inspirieren: „Drittklassige Schlager, Sixpacks, B-Filme, Spiel 77 und Groschenhefte ...“ Schließlich sei „Pulp Fiction“ nicht umsonst der Film der 90er Jahre geworden. Dementsprechend kränklich und passend zu den Hautfarben ihrer Stücke sollte auch die Trägerin der Kollektion sein: mit strähnigen, ungestylten, aschblonden Haaren, ein wenig verderbt am besten und einseitig ernährt. Und um Himmels willen nicht sportlich! „Im günstigsten Fall sollte sie wie Courtney Love aussehen“, meint Britta Schwarz.

Mit ihren 24 Jahren kann man sich so ein Schönheitsideal natürlich leisten. Schwarz und Bohnenkamp, selbst übrigens alles andere als schmierig-vierschrötig, sondern kerngesund aussehend, haben ihr Handwerk gelernt: Nach diversen Praktika in Essen, Berlin und Paris lernten sie zunächst Mode am Lette-Verein. Doch das Modeverständnis, das den SchülerInnen dort diktiert wurde, befanden beide für „zu abgedreht“. Daher wechselten sie nach kurzer Zeit zur Fachhochschule für Technik und Wirtschaft, um dort Bekleidungsdesign zu studieren.

Schließlich verstehen sie sich nicht als Künstlerinnen, sondern als Modemacherinnen, deren Stücke getragen werden sollen. Bald dürften ihre Kollektionen in zwei Läden zu haben sein, die ausschließlich Berliner Labels vertreiben: „Groopie de Luxe“ und „Wicked Garden“. Doch um ihrem schnodderigen Image treu zu bleiben, pflegen „Püppie's“ die Wühltischromantik. An ihrem AVE-Stand wurden Stücke aus älteren Kollektionen für Preise ab 30 Mark verschleudert. Fazit Schwarz: „Schließlich kann man auch Schönes auf Woolworth-Niveau bringen!“ Kirsten Niemann

Kontakt: Ilka Bohnenkamp,

Tel.: 4487265