Hat nicht mal eine Kreditkarte

„Hallo Mr. Präsident“ – Darf sich der Präsident der USA verlieben? Und wie bestellt er dann Blumen?  ■ Von Anke Westphal

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist zu bedauern. Da wohnt er nun so schön in seinem Weißen Haus, doch schon auf dem Weg ins Oval Office muß er immer den Flur entlang regieren. Seine Assistentin souffliert ihm Namen und Geburtstage der Untergebenen, damit er persönlich gratuliert. Ein braver Mann. Und dabei so volksverbunden! Doch das ist nicht alles. Präsident Andrew Shepherd, der gute Hirte, ist von einer Aura der Tragik umgeben. Die First Lady starb vor einem Jahr an Krebs und ließ ihn mit einer halbwüchsigen Tochter zurück. Wer fühlt sich schon gern einsam? Mr. Präsident ist nicht gerade dumm oder häßlich, und schon bald verirrt sich eine Naturschützerin in seine Nähe.

Es ist ein Kreuz mit diesen komischen Präsidentenfilmen. Kann sich noch jemand wirklich an „JFK“ erinnern? Oder gar an „Dave“? Nun waren das explizit politische Filme, wohingegen „Hallo, Mr. Präsident“ eine Komödie von Rob Reiner („Harry & Sally“, „Misery“) ist. Mr. Reiner hat zumindest bei der Besetzung seines neuen Werkes einen Volltreffer gelandet. Niemand kann diesen Nußknacker, diese Holzfigur von einem Präsidenten, besser spielen als Michael Douglas. Michael „Präsident“ ist so pflichtbewußt wie emotional tapfer. Manchmal zuckt es in seinen wie geschnitzten Zügen – dann wissen wir, daß es der Präsident schwerhat. Annette Benings Aufgabe ist es, das „natürliche Mädchen“ Sydney Wade zu geben: praktischer Kurzhaarschnitt, burschikoses Lächeln, sexy Beine und dann eben der Naturschutz. Die Konstellation dürfte dem Betrachter aus diesen kombinierten Heimat-Königs- Filmen der 50er Jahre bekannt sein. Nur wurde da – wenigstens in den deutschen Schmachtfetzen – für gewöhnlich entsagt, und Dieter Borsche, einst der bevorzugte Königsdarsteller, schwang sich zum Schluß traurig aufs Pferd. Auch „Hallo, Mr. Präsident“ ist ein kombinierter Heimat-Königs-Film.

Das einzige Zugeständnis an die Gegenwart scheint darin zu bestehen, daß Shepherd/Douglas und Wade/Bening glücklich werden müssen. Oder ist nicht einmal das ein Modernismus? Unbedingt lustig soll es auch noch sein, und wenn dies nicht so wäre, würde es vermutlich immer noch etwas zu meckern geben.

Patriotismus und Charakterstärke schweben über diesem Film wie fette Engelchen. Sydney Wade beleidigt den Präsidenten mehrmals, eben weil sie nicht weiß, daß es der Präsident ist, den sie beleidigt. Sobald es ihr wie Schuppen von den Augen fällt, wer denn da eigentlich im teuren Anzug steckt, schrumpft sie auf Zwergenformat zusammen. Bening gibt Sydney Wade überzogener als eine Christin, die zum ersten Mal in Jerusalem weilt.

Die Idee von „Hallo, Mr. Präsident“ ist, 1. einen Machthaber daran leiden zu lassen, daß er nicht als Mensch wie du und ich wahr- und ernstgenommen wird, sondern „nur als mächtigster Mann der Welt“. 2. Zu demonstrieren, wie tragisch ein guter Hirte und Landesvater in die Schußlinie seines fiesen Wahlkampfgegners ( Richard Dreyfuss in einem weiteren mittelmäßigen Film) gerät, wenn er das Glück eines Mr. X-Beliebig beansprucht. Das ist ja auch keine so schlechte Idee, nur wird sie hier höchst pathetisch und gänzlich ironiefrei ausgelegt.

Mr. Präsident ist immer untadelig. Mr. Präsident kann Sydney beim ersten date nicht küssen, weil er mal eben eine Attacke auf Libyen befehlen muß. Dabei steht sie während der Szene doch im Zimmer mit dem ganzen Präsidentengeschirr, ist also schon so gut wie geheiratet. So geht es fort und fort.

Der Präsident kann keine Blumen für die Dame bestellen, denn er hat nicht mal eine Kreditkarte, geschweige denn Bargeld, und wenn er persönlich einen Anruf tätigt – falls sein Stab ihn nicht eh daran hindert, mit seinen Präsidentenhänden aufs Plastik zu drücken – und sich mit „Präsident“ meldet, glaubt es sowieso kein Schwein. Nicht einmal die Inhaberin von „Carmens House Of Flowers“.

Auf solchen Begebenheiten, Verwechslungen und Tolpatschigkeiten gründet sich die Lustigkeit von „Hallo, Mr. Präsident“. Wie mache ich im Weißen Haus Liebe, bzw. darf ich das überhaupt? Dieser Film gibt wieder einmal viel Anlaß zum Staunen. Was für merkwürdige Kategorien haben die Amerikaner im Verlauf ihrer Inselexistenz doch für „natürlich“ entwickelt und erst für „romantisch“! Wünsche ich mir einen romantischen Spielfilm über das Liebesleben von Helmut Kohl? Oder lieber einen darüber, wie Erich Honecker seine Margot kennenlernte? Und warum sind Kinder unter 14 in amerikanischen Filmen immer so unerträglich altklug und verständnisvoll? Das macht selbst unschuldige Disney-Werke wie „Santa Claus“ zum Martyrium.

„Hallo, Mr. Präsident“ von Rob Reiner. Buch: Aaron Sorkin. Kamera: John Seale.

Mit: Michael Douglas, Annette Bening, Martin Sheen, Michael J. Fox, Richard Dreyfuss. USA 1995, 113 Minuten