„Kameradenmorde“ als Alltagsgeschäft

Zwei Deutsche sollen wegen zwei Morden in Kroatien lebenslänglich hinter Gitter  ■ Aus Memmingen Klaus Wittmann

Neun Verhandlungstage lang wurde das alte Postgebäude in Memmingen in eine Art Festung verwandelt. Wie zu einer Wagenburg aufgebaut, sichern Polizeiwagen das zum Justizgebäude umfunktionierte einstige Postamt.

Die, die hier seit Mitte November vor Gericht stehen, sind Deutsche, die zwei Menschen umgebracht haben – genauer gesagt, haben sie in Kroatien zwei Kameraden erschossen. Der Staatsanwalt Christian Fürle plädierte gestern wegen der besonderen Verwerflichkeit und der besonderen Schwere der Schuld auf lebenslange Freiheitsstrafen. Das Urteil wird für heute erwartet.

Falk S. (31) aus Sachsen und Rüdiger M. aus Sachsen-Anhalt (41) hatten sich im Sommer 1993 als Söldner in einer paramilitärischen Truppe bei Mostar verdingt. Als Gehilfen des selbsternannten Generals Tuta verdienten sie ihr Geld im Kampf gegen die Muslime. Vor dem Memminger Landgericht sind die beiden nicht wegen Verbrechen an der Zivilbevölkerung angeklagt, sondern wegen zweifachen Kameradenmordes brutalsten Kalibers. Ihre Leichen übergossen sie mit Benzin und zündeten sie an.

Daß die beiden vor Gericht kamen, ist nur einer Verkettung von Zufällen und gründlicher Ermittlungsarbeit vor Ort zu verdanken. Im Laufe des Verfahrens konnten die Zuhörer dann die schmutzigen Details von den Angeklagten persönlich erfahren. Zuerst packte Ralf M. aus, ein dunkler, nicht allzu groß gewachsener Mann, der während der Verhandlung meist regungslos vor sich hin starrte. Feldwebel war er bei der NVA, später jahrelang wegen Betrügereien und versuchter Republikflucht im Gefängnis. Mit leiser Stimme schilderte er, wie er gemeinsam mit seinem kriegslüsternen Kumpanen einen Dritten beseitigt hat. Der kam auch aus Deutschland, nannte sich Heinz und wollte General Tuta ebenfalls unterstützen. Tuta wollte ihn nicht, daraufhin wollte Heinz sein Glück bei den Muslimen versuchen.

Ein Überläufer, konstatierte M. So einer gehöre erschossen. Als ihnen das klar geworden sei, erzählte er vor Gericht, hätten sie Heinz eine „Vergnügungsfahrt“ versprochen, die tödlich enden sollte. Unterwegs täuschte Falk S. eine Autopanne vor und machte sich unter dem Fahrzeug zu schaffen. Heinz schickte sich an, ihm Werkzeug zu reichen. Als er sich aufrichtete, drückte M. ab. „Es war schwierig, ihn im Auto mit der Kalaschnikow zu erschießen, so haben wir ihn aus dem Auto gelockt. Dann habe ich aus etwa eineinhalb Meter geschossen.“

Bevor sie ihr Opfer anzündeten, habe auch Falk S. noch einen Schuß auf den am Boden liegenden Heinz abgefeuert. „Er hat gesagt, der Krüppel lebt ja noch. Dann nahm er meine Waffe, er muß sie voll aufgesetzt haben, und drückte ab. Am Lauf war noch Gehirnmasse und Blut.“ Spricht der Angeklagte, ohne mit der Wimper zu zucken. Auch Falk S. gestand vor Gericht, nachdem er lange beharrlich geschwiegen hatte. Als er in den Krieg zog, hatte er eine gescheiterte Ehe hinter sich, eine Alkoholikerkarriere und einen Selbstmordversuch. Die Fremdenlegion wollte ihn nicht, da heuerte er in Bosnien an.

Gemeinsam mit einem Österreicher hat S. außer Heinz auch noch den 32jährigen deutschen Söldner Conny B. erschossen – wegen „Kameradendiebstahls“. Eine Pistole, eine Uhr und eine Halskette hatte Conny gerüchteweise geklaut.

Schon bei den polizeilichen Vernehmungen, hatte S. diese „Hinrichtung“ geschildert. Wieder war der Tatort ein Auto. Vom Beifahrersitz aus habe er dem Opfer ein ganzes Magazin in die Seite gejagt. „Bei jedem Treffer zuckte Connys Körper auf.“ Den Österreicher auf dem Rücksitz habe er angeschrien: „Schieß endlich!“ Daraufhin habe der durch die Rückenlehne ebenfalls sein Magazin verfeuert.

Beiden Opfern leerten die selbsternannten Bosnienkrieger die Taschen. „Primitive Habgier“ sei das, lautet die Anklage. Die Angeklagten stellen die Taten als notwendige Maßnahmen im Krieg dar. Kameradendiebstahl und das Überlaufen zum Gegner würden nun mal in jedem Krieg so geahndet. Zu den Greueltaten an der Zivilbevölkerung wollten sie jedoch keine Aussage machen.

Der in Österreich inhaftierte Komplize von S., Wolfgang N., der als Zeuge im Memminger Verfahren ausgesagt hat, war da gesprächiger. Der einstige Neonazi beschrieb wahre Greueltaten, die von den Kroaten an der muslimischen Bevölkerung begangen wurden, „nachdem wir aufgeräumt hatten“. In die Häuser seien „die Jugos verschwunden“, hätten den Männern die Genitalien abgeschnitten und in den Mund gesteckt, Kindern die Augen herausgedrückt und Frauen Pfähle in die Scheide getrieben. Schilderungen, die den Prozeßbeobachtern die Abscheu ins Gesicht trieben, bei denen aber auch unklar blieb, ob sie grausame Wirklichkeit oder widerliche Prahlerei waren. Vergeblich warteten Staatsanwaltschaft und Gericht auf den vorgeladenen General Tuta. Kurz vor seiner Zeugenaussage, für die ihm freies Geleit zugesichert war, bekam er es mit der Angst zu tun. Aus Angst vor einem Mordanschlag blieb der 52jährige der Verhandlung fern. So blieben viele Fragen unbeantwortet. Und so wird dem Prozeß wohl auch kein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof folgen. Mit dem heutigen Urteil dürften den beiden Angeklagten zumindest ihre nächsten Pläne zunichte gemacht werden: Nach Bosnien sollte Südafrika dran sein.