FDP probt Rochade

■ Heute wird das Ergebnis der FDP-Mitgliederbefragung präsentiert

Bonn (taz) – Am heutigen Nachmittag hätte wohl mancher gerne eine elektronische Wanze im großen Sitzungssaal des Thomas- Dehler-Hauses plaziert: Hinter geschlossenen Türen verhandelt dort von 14 Uhr an das Präsidium der FDP über das höchst geheime Ergebnis der Mitgliederbefragung zum Großen Lauschangriff.

Eine Stunde später will Generalsekretär Guido Westerwelle vor wartenden Kameras bekanntgeben, wie die erste liberale Basisbefragung ausgegangen ist. Die Nachricht ist wichtig: Vom Votum der FDP-Mitglieder hängen schließlich nicht nur das rechtsstaatliche Profil der Kleinpartei und das politische Schicksal einer FDP-Ministerin ab, sondern auch die Stabilität einer angegriffenen Bundesregierung. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat ihre Weiterarbeit als Justizministerin davon abhängig gemacht, daß die FDP-Basis beim Lauschangriff nicht auf Schmusekurs gegenüber der Union umschwenkt. Bleibt die streitbare Juristin aber im Kabinett, dürfte sich das Klima zwischen den in jüngster Zeit ohnehin zunehmend gereizten Koalitionären weiter verschlechtern. Ein Mitgliederentscheid nämlich ist kaum verhandelbar.

Weil die Stimmung in den FDP- Kreisverbänden aber als wanzenfreundlich gilt, werden seit Wochen Nachfolger für „Schnarri“ (Parteijargon) gesucht. Als aussichtsreicher Kandidat wird der 54jährige Juraprofessor Schmidt- Jortzig aus Kiel gehandelt, der als Mann der Mitte gilt. Detlev Kleinert, gefürcheter liberaler „Königsmacher“ im Bundestag, soll allerdings eher den frauenpolitischen Sprecher (sic!) seiner Fraktion, Heinz Lanfermann, favorisieren, der auch als künftiger beamteter Staatssekretär gesehen wird.

Dem parlamentarischen Geschäftsführer und Lausch-Fan Jörg van Essen wird dagegen voraussichtlich zum Verhängnis, daß die nach einer Niederlage deprimierten Anhänger des linksliberalen „Freiburger Kreises“ seine Ernennung als demonstrativen Rechtsschwenk der Partei empfinden müßten. Parteichef Wolfgang Gerhardt wollte ursprünglich zwei Minister auswechseln. Gerade sechs Monate im Amt, hantierte der Hesse aber vergangene Woche nicht wie ein Spitzenpolitiker, sondern wie ein Dilettant auf politischer Bühne. Seine Phantomrochaden mit wechselndem Personal inszenierte er so ungeschickt, daß am Ende der bekannt glücklose Günter Rexrodt mit einem Vertrauensvotum der Partei aus den Gremien ging.

Spätestens vergangene Woche muß vielen FDP-Mitgliedern bewußt geworden sein, daß es beim Wanzenentscheid nicht nur um eine Sachfrage ging, sondern auch um die Demontage einer Person. Die Parteiführung selbst, so heißt es, sei sich deshalb nun nicht mehr sicher, wie die Befragung ausgehen werde. In und außerhalb der FDP fällt das Urteil über die Wirkung des Mitgliederentscheids wenig freundlich aus. Profitieren kann die gebeutelte Partei wahrscheinlich von keinem der beiden möglichen Ergebnisse. „Egal wie die Personaldiskussion ausgeht“, sagt der Pressesprecher der Jungen Liberalen, Patrick Döring, voraus, „sie hat uns nur geschadet und wird uns schaden.“ Hans Monath