: Prozente auf die Ausbildungsförderung
Bundesregierung bewilligt StudentInnen neun Semester lang höheres, aber verzinstes Bafög ■ Aus Berlin Karin Flothmann
Künftig müssen StudentInnen, die Bafög beantragen, marktübliche Zinsen für ihr Ausbildungsdarlehen bezahlen. So sieht es zumindest der gestrige Kabinettsbeschluß der Bundesregierung vor. Die Bafög- Zinspläne von Bildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) stießen innerhalb der Regierungsriege auf einhellige Zustimmung. Danach soll der Darlehensanteil des Bafögs künftig nicht mehr über den Bundeshaushalt, sondern über eine Privatbank abgewickelt werden. StudentInnen müssen mit einem Zins von rund 8,5 Prozent rechnen. Nach dem Abschluß des Studiums kann der Schuldenberg eines geförderten Studenten bis zu 72.000 Mark betragen. Mit den per Zinsmodell eingesparten Geldern will Rüttgers versprochene Mehrausgaben beim Hochschulbau und der Forschung finanzieren.
Zugleich beschloß das Kabinett eine sechsprozentige Erhöhung des Bafögs und der Elternfreibeträge ab Herbst 1996. Gleichzeitig soll die Förderungshöchstdauer beim Bafög eingeschränkt werden. Für ein Universitätsstudium soll es nur noch neun Semester lang Geld geben. Bisher wurden die meisten Studiengänge zehn Semester lang gefördert. Bei einem Fachhochschulstudium soll die Förderdauer nur noch sieben bis acht Semester betragen. Ausnahmen sind lediglich für die Ingenieurswissenschaften, Biologie, Physik und Medizin vorgesehen.
Die Sozialdemokraten lehnten die Bafög-Pläne der Regierung als „völlig inakzeptabel“ ab. Noch während das Kabinett gestern tagte, beschlossen SPD-Vorstand und Parteirat ein Gegenmodell zur Ausbildungsförderung. Danach sollen Kindergeld sowie Elternfreibeträge und sonstige Steuervorteile zu einem Ausbildungsgeld zusammengefaßt werden. Dieses Geld, so erklärte eine Parteisprecherin, solle an alle jungen Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren direkt ausgezahlt werden. Darauf aufbauend, solle das Bafög das Studium derjenigen finanzieren, die die Kosten nicht aus eigener Kraft aufbringen könnten.
Auch die Bündnisgrünen können den Plänen des Zukunftsministers nichts abgewinnen. Das verzinste Bafög, so erklärte Elisabeth Altmann, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, würde Tausende junger, begabter Menschen von der Aufnahme eines Studiums abschrecken. Zugleich bescheinigte sie den Regierungsparteien „zunehmenden politischen Realitätsverlust“.
Tatsächlich, alles deutet bereits jetzt darauf hin, daß der gestrige Kabinettsbeschluß im nächsten Jahr im Papierkorb landen wird. Immerhin lehnt eine breite gesellschaftliche und politische Mehrheit die Zinspläne Rüttgers ab. Hochschulrektoren, das Deutsche Studentenwerk und Studentenverbände protestieren schon seit Monaten gegen das Modell. Und selbst der Jungen Union und dem CDU-nahen Ring Christlich Demokratischer Studenten mißfällt, was die Regierung StudentInnen zumuten will.
Zudem muß der Bafög-Zins- Beschluß noch vom Bundesrat gebilligt werden. Das wird frühestens im Februar 1996 geschehen. Nicht nur sämtliche SPD-Länder werden dann gegen den Bafög-Beschluß votieren; auch der Landtag von Sachsen hat Rüttgers Pläne schon einstimmig abgelehnt. Und selbst in Bayern und Baden-Württemberg hegt man Vorbehalte.
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