Lob des Edelmutes

■ Neu im Kino: „Shanghai Serenade“, ein Triaden-Kammerspiel von Zhang Yimou

Zhang Yimou sammelt zwar Preise auf internationalen Filmfestspielen ein, kann sie aber, mangels Ausreisegenehmigung, nicht immer abholen. Also mußte seine Lebensgefährtin und Leib und Magen-Schauspielerin, Gong Li, 1994 nach Cannes reisen, um den Großen Preis der Jury für Yimous letzten Film „Leben!“ abzuholen. Zhang Yimou ist ein Moralist – was der chinesischen Führung, die Gut und Böse selbst festlegt, natürlich sofort verdächtig ist. Yimou will „die edelmütigere Seite menschlicher Wesen hervorheben“, weil ihm scheint, daß „wir dies in der Welt, in der wir leben, am meisten brauchen.

Deshalb ist sein neuer Film „Shanghai Serenade“ (ursprünglich und viel treffender „Shanghai Triad“) gottseidank kein weiterer Action-Film über die Machenschaften der chinesischen Variante der Mafia geworden. Sondern ein geduldiges Kammerspiel, angesiedelt in den 30er Jahren, über Rituale und Machtverhältnisse in einer Männergesellschaft aus dem Blickwinkel eines 14-jährigen Jungen vom Lande (Wang Xiao Xiao). Der, die unendliche Güte des Triaden-Bosses Tang (Li Baotian) macht's möglich, zum Diener von Xiao Jinbao (Gong Li), Tangs Geliebter, bestimmt wird. Die schöne Jinbao kann leidlich singen und tanzen, hat die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gegessen, dafür aber ihre Lektionen in Laszivität und Halbwelt-Eleganz gut gelernt. Mehr will der Boss gar nicht, Geschäfte sind nun mal wichtiger als Frauen.

Auserlesene Dekors und weitläufige Kamerabewegungen ist man vom Regisseur („Rote Laterne“, „Das rote Kornfeld“) ja schon gewohnt – und wird auch diesmal wieder vorzüglich bedient. Besonders im zweiten Teil der in sieben Kapitel eingeteilten Geschichte, die nicht mehr im glanzvollen Belle Epoque-Hauptquartier des alten Shanghai spielt, sondern in der trügerischen Idylle einer kleinen Insel, wo der Boss abrechnet mit Song, seinem cleveren zweiten Mann, der nicht mehr nur der zweite sein will.

Shuisheng, der Diener vom Lande, muß noch viel lernen, um dabei zu sein in der Triade. Am wichtigsten ist es zu wissen, wann man reden muß und wann schweigen. Aber wie soll Shuisheng das einschätzen, abgestellt zum Warten und Gehorchen? Keiner interessiert sich für ihn, bloß seine Herrin gibt ihm einen Rat: Shanghai zu verlassen, das sei kein guter Ort. Alleingelassen und verzweifelt, bleibt Shuisheng als einzige Orientierung, dem Boss Folge zu leisten. Und das Triaden-System, das alle auffängt, die sich daran halten, zu perpetuieren. Aber der Boss stellt die Welt auf den Kopf, wenn er will. Zum Beispiel, wenn er Shuisheng an den Beinen aufhängt, um ihn zu erziehen. Dann hat nicht etwa der Vorführer den letzten Akt falsch in den Projektor gelegt, sondern Zhang Yimou in einem schönen Kunstgriff Shengshuis auf den Kopf gestellten Blick gezeigt.

Alexander Musik

Atlantis, tägl. 17.30 und 20.30 Uhr