Arbeit: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

■ Beim „Stadtbündnis: Armut überwinden“ debattierten hauptsächlich Männer

Armut betrifft vor allem Frauen. Auf dem Podium jedoch diskutierten ausschließlich Männer vor rund 200 ZuhörerInnen die Ergebnisse der Tagung „Stadtbündnis: Armut überwinden - Arbeit schaffen“, die gestern im Bürgerhaus Wilhelmsburg zu Ende ging. Ein „Affront gegen Frauen“, beschwerte sich Christiane Eiche vom Verein Frau & Arbeit. Eingeladen hatten die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) und Wohlfahrtsverbände.

Unter 1,6 Millionen HamburgerInnen sind offiziell 78.000 ohne Arbeit. Sozialhilfe beziehen 90.000 – so Helmut Hartmann von der BAGS; Diakonie-Chef Stephan Reimers nannte eine doppelt so hohe Zahl. 80.000 HamburgerInnen, so der Arbeitskreis Wohnraumversorgung, sind ohne Wohnung, 6000 leben auf der Straße. Die Datenlage ist ähnlich schlecht wie die Lage der Betroffenen.

Nahezu unbestritten ist, daß Arbeitslosigkeit die wichtigste Ursache der zunehmenden Verarmung ist. Bei ihrer Bekämpfung sind Hamburger „Fachpolitiken“ bisher „relativ erfolglos“ gewesen, gab Podiumsteilnehmer Hellmut Körner vom Amt für Wirtschaft zu. Von Bonner Politik nicht erst zu reden. Der „Klassenkompromiß“ gerate allmählich in Gefahr, bemerkte Petra Lafferentz von SauF (Soziale Arbeit und Forschung im Stadtteil Steilshoop) aus dem Publikum. Des Podiums Industrievertreter, Gerrit Driessen, warnte gar: „Das rein betriebswirtschaftliche Handeln der Unternehmer“ führe „volkswirtschaftlich zur absoluten Katastrophe“.

Über eines waren sich die leitenden Herren aus Wirtschaft, Verbänden und Behörden einig: Was not tut, sind neue Arbeitsplätze. Die wird es am ehesten im Dienstleistungsbereich geben, kaum in der Industrie. Das Instrument staatlicher Lohnkostenzuschüsse sei auszubauen. Sechs der sieben Podiumsteilnehmer forderten allgemein auch „Umverteilung“. Frauen wurden da konkreter. Lafferentz verlangte, öffentliche Aufträge künftig mit „quartiersbezogenen“ Beschäftigungs-Auflagen zu versehen. Christiane Eiche forderte einen „Fonds Kinderbetreuung“, den die Arbeitgeber einzurichten hätten. Über einen ähnlichen „Fonds 2. Arbeitsmarkt“ ließen sich Jobs wie Nachbarschaftshilfen, für die es nur wenig formaler Qualifikation bedarf, bezahlen. Fritz Gleiß