Mit dem Federkiel auf Zielscheiben

■ Der Polemiker Maxim Biller liest dem „Land der Väter und Verräter“ die Leviten

Am Anfang war ein Logo. Manch einer, der es sah, verdrehte die Augen, um rasch weiterzublättern. Andere suchten nur nach eben jenem, lasen den dazugehörigen Text und legten das Heft dann wieder aus der Hand. Denn der Rest konnte warten. Ein gutes Logo ist immer ein einfaches Zeichen mit einer unmißverständlichen Aussage. Dieses bestand aus zwei Elementen – der Spitze eines Federkiels und einer Zielscheibe. Wenn Maxim Biller in der Zeitschrift Tempo seine monatlichen „100 Zeilen Haß“ verspritzte, war ihm stets die Polarisierung der Leser gewiß. Seit einiger Zeit ist das Logo aus seinen Kolumnen verschwunden, doch seine Schreibe blieb kompromißlos wie ehedem, was in seinem im vergangenen Jahr veröffentlichten zweiten Erzählband Land der Väter und Verräter nachzulesen ist.

War da nicht noch etwas? Etwas, das bei der Lektüre, gewollt oder ungewollt, präsent ist? Biller, Jahrgang 1960, ist Jude. Als er zehn Jahre alt war, emigrierte seine Familie aus der damaligen Tschechoslowakei nach Deutschland. Ist also Maxim Biller ein zeitgenössischer jüdischer Autor? Diese Bezeichnung erfüllt ihn mit Haß. „Nicht weil ich Jude bin schreibe ich“ , betonte er in einem Interview mit einem Münchener Nachrichtenmagazin, „nein, ich bin ein Schriftsteller, der Jude ist. Das ist ein großer Unterschied.“

Diese Haltung atmet jede der 16 Erzählungen aus dem Land der Väter und Verräter, verknüpft durch ein Motiv: den Verrat, in Jahren, als „wirklich nur jene die schrecklichste aller schrecklichen Zeiten überstehen konnten, die immer richtig fühlten und dachten, aber niemals aufrecht handelten“. Nur kurz öffnet sich der Vorhang, zeigt die unmenschlichen Prüfungen, mit denen auch noch die Überlebenden des Holocausts konfrontiert wurden, um dem Erlebten zu begegnen.

Dafür ist der Polemiker Maxim Biller hinter den Beobachter und Erzähler zurückgetreten. Nach seinem schriftstellerischen Debüt 1990 mit Wenn ich einmal reich und tot bin und dem ein Jahr später folgenden Die Tempojahre, erweist er sich nun als Autor, der kalte Wut in eine fast klassische literarische Form gießt. Vielleicht braucht er auch deshalb das Logo nicht mehr.

Karsten Neumann

Freitag, 24. 2. , Literaturhaus, 20 Uhr