Variationsfolge übers Leben

■ Harry Kupfer über seine Inszenierung von Puccinis Operntrias Il Trittico an der Hamburger Oper, für die er ins melodramatische Genre wechselte

Der Name Harry Kupfer wird eigentlich immer mit Opernproduktionen in Verbindung gebracht, die sich mehr den gravierenden, weil historisch-soziologisch relevanten, Opernstoffen wie etwa Tannhäuser oder Belsazar widmen. Für die Hamburger Oper begibt sich Kupfer nun in eine ganz andere Bühnenwelt – der Chefregisseur der Komischen Oper Berlin inszeniert mit dem aus drei abgeschlossenen Opern bestehenden Il Trittico ein Stück aus Giacomo Puccinis melodramatischem, gefühlsseligem Musiktheater.

Und man mag es kaum glauben, wenn Kupfer der dpa gesteht: „Das ist bisher meine schwierigste Arbeit - das Schwerste vom Schweren, was man je machen kann. Dagegen ist eine große Choroper wie Mussorgskys Chowanschtschina ein Osterspaziergang.“ Diese Miniatur ist also kompliziert, gerade weil sich auf dem Gebiet der Oper meist erst nach einer halben Stunde, das dramatische Geschehen zu entwickeln beginnt.

Im Gegensatz zu Puccinis Tosca oder Madame Butterfly wird Il Trittico in Deutschland kaum gespielt. Die drei Einakter Der Mantel, Schwester Angelica und Gianni Schicchi hatten am 14. Dezember 1918 an der New Yorker Metropolitan Opera Premiere, es folgte 1921 die europäische Erstaufführung in Hamburg, wo dieses Spätwerk Puccinis seitdem nicht mehr vollständig gespielt wurde.

„Wir haben hier drei Aspekte von Lebensbetrachtung“, sagt Harry Kupfer, „Hauptperson in allen drei Stücken ist der Tod – und die Liebe. Dieses Thema wird unterschiedlich in extremen Farben beleuchtet. Aber über dem Ganzen liegt ein einziger Grundgedanke. Deshalb hat Puccini ja so leidenschaftlich dafür gekämpft, daß alle drei Stücke zusammen gespielt und nicht auseinandergerissen werden.“

Die Operntrias wird so zu einer Variationsfolge aus einem Episodenfilm, die zu den maßgebenden Dingen des Lebens einen Kommentar abgibt und sich im besonderes Klima der Einakter niederschlägt. Das hier versammelte Todesspektrum reicht vom Mord aus Eifersucht (Der Mantel) über den Selbstmord (Schwester Angelica) bis hin zum natürlichen Tod und seinen allzu menschlichen Folgen (Gianni Schicchi). Von der tragischen Liebesgeschichte bis zur Erbschleicherkomödie ist all das stofflich vertreten, was die große Oper ausmacht. Puccinis Il Trittico ist eine musikalisch äußerst raffiniert gestaltete Miniaturensammlung von romantischen Lebensbildern, die dem Geist des 19. Jahrhunderts entsprungen sind, aber in ihrer kondensierten Form durchaus auch schon im Radius der Moderne anzusiedeln sind.

Auch Gerd Albrecht, der Dirigent der Kupfer-Inszenierung sieht im Trittico ein Hauptwerk Puccinis, das „die gegensätzlichen Emotionen, Komik wie Tragik, mit gläserner Klarheit zum Ausdruck bringt.“ Man darf gespannt sein, wie Kupfer die drei Einakter in die Jetztzeit verlegt. Vielleicht vergießt die raffgierige Verwandtschaft aus Gianni Schicchi ihre Krokodilstränen in zeitgenössischer Verkleidung oder Schwester Angelicas mystische Verzückungen erfahren eine eher erotische Deutung. Sven Ahnert

Hamburger Oper, 26.2., 17 Uhr, sowie 1., 4., 7., 10. und 12. März, jeweils 19 Uhr