Mythos ohne Reaktion

■ Ruhe nach der Urteilsbegründung

Komisch eigentlich – gestern lag nun endlich die ausführliche Begründung zum Hamburger „Auschwitz-Urteil“ vor, doch Fax und Fernschreiber spuckten keine einzige Stellungnahme aus. Das war am 1. Februar völlig anders. Nachdem ein Hamburger Amtsrichter zwei bekannte Rechtsradikale freigesprochen hatte, wurde er von kämpferischen Antifaschisten argumentativ in die braune Ecke gestellt und von Parteipolitikern jeglicher Coleur heftig gescholten (taz berichtete).

Zentraler Streitpunkt der Gerichtsverhandlung war die Verwendung des Begriffes „Auschwitz-Mythos“, den die Rechtsradikalen – in vermutlich böswilliger, verächtlicher und verleumderischer Absicht – in ihrem Info-Telefon verwendet hatten. Aber genau diese Absicht war ihnen, so befand das Amtsgericht, nicht nachzuweisen. Auch eine synonyme Bedeutung des Begriffes „Auschwitz-Mythos“ mit „Auschwitz-Lüge“ oder „Auschwitz-Leugnung“ war für das Gericht nicht erkennbar, weil – so heißt es in der 14seitigen Begründung – einer der Angeklagten erklärt hatte. es läge ihm „fern, die allgemein bekannte Tatsache abzustreiten, daß unter anderem in den Gaskammern unzählige Juden systematisch ermordet worden sind.“ Das Gericht habe, so heißt es weiter, deshalb keine Möglichkeit gesehen, diese Äußerung des Angeklagten zu widerlegen. Eine antisemitische Einstellung gehe nicht zwangsläufig mit der Leugnung der Massenmorde einher.

Die Staatsanwaltschaft, die direkt nach dem Urteilsspruch Berufung angekündigt hatte, reagierte gestern sehr zurückhaltend. Man müsse das schriftliche Urteil erst einmal ausführlich würdigen. Und der Hamburger Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, Verwaltungsrichter Jochen Mehmel, kommentierte knapp: „Ein irgendwie befremdliches Urteil, aber juristisch absolut haltbar. Das ist der Preis des Rechtsstaates.“ Jürgen Oetting