Dope und Tram

■ HamburgerInnen haben viele Wünsche, die sie per Volksentscheid erfüllen möchten Von Andreas Albert

Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid. Mit diesen „Elementen unmittelbarer Demokratie“ will der Senat uns HamburgerInnen beglücken. Gesetze erlassen per Volksentscheid ist angesagt. Justizsenator Hardraht wünscht sich die Durchsetzung schon ab 1. Januar 1996. Was sich das Volk wünscht, wurde bei einer überaus repräsentativen Umfrage auf der Mönckebergstraße deutlich: Drogen.

„Was würden Sie zum Thema eines Volksentscheids machen?“ fragten wir PassantInnen und wurden reich bedacht. „Ich bin für freien Konsum von Marihuana“, ließ eine 16jährige Schülerin wissen und forderte als Zugabe die Herabsetzung des Wahlalters (auf 16), um an diesen Entscheiden auch umgehend teilnehmen zu können. Eine Meinung, der sich ein Großteil der Befragten zwischen 16 und 26 vollinhaltlich anschloß. Zumal die Herabsetzung der Volljährigkeit ja auch den früheren Führerschein einschlösse, wie ein Jugendlicher pfiffig ausrechnete.

Die Bereicherung des Lebensgefühls war auch Thema der Elterngeneration. „Wir brauchen die Straßenbahn und mehr Grünanlagen“ oder „Ich bin für die Verkehrsberuhigung der Innenstadt“, klagte diese ihr Mitspracherecht in Gestaltungsfragen zur Stadtverschönerung ein. Und auch rechten Parteien und Organisationen ginge es an den Kragen, waren sich Alt und Jung ziemlich sicher. Das Recht auf Wohnung und Kindergartenplätze forderte eine teilzeitbeschäftigte Rentnerin „für meine Kinder“, „vernünftige Wohnungen statt ins Pik As“ der Hinz-und-Kunz(t)-Verkäufer. „Die Hafenstraße loswerden“ wollte nur eine Nichthamburgerin – im Vorbeigehen.

Schwerblütig-politisch äußerten sich viele der befragten Herren. Die Direktwahl der PolitikerInnen hofft ein Mittefünfzigjähriger (“ich bin Kaufmann“) durch einen Volksentscheid durchzusetzen; „die Zahl der Bürgerschaftsabgeordneten muß reduziert werden“, rechnete ein Banker, und: „Ich finde Volksentscheide grundsätzlich gut, gerade in Hamburg gibt es viele Probleme, der Hafen muß erweitert werden und ich würde den Ausstieg aus der Atomenergie fordern.“

Da ist der Sicherheitsmann einer Passage allerdings skeptischer: „Es ist schon fünf nach zwölf, das hilft alles nichts mehr“. „Das System läßt sich auch mit Volksentscheiden nicht abschaffen“ meint auch ein Fahrradkurier. „Todesstrafe und Euthanasie“ könnten eingeführt werden, die Menschen seien nicht reif, in unserer „manipulierten Medienwelt“ Gesetze zu erlassen, fürchtet gar ein Informatiker. Und ein Versicherungsangestellter hält unsere repräsentative Demokratie für ausreichend: „Ich bin eher dagegen. Politiker sind viel versierter in Fachfragen“, gab er vertrauensvoll zu Protokoll. Ein Doktorand möchte die Menschen auswechseln: „Volksentscheide sind im Prinzip gut, aber ich traue der Mehrheit der Bevölkerung viel Übles zu, z.B. die Einführung der Todesstrafe. Volksentscheide setzen andere Menschen voraus.“

Daß die Volksentscheide Gesetze über Steuern, Abgaben und ähnliches nicht zum Thema haben dürfen, geschieht, so Justizsenator Hardraht, „aus verständlichen Gründen“. Ein hansestädtischer Kaufmann sieht das anders: „Die Diätenerhöhung ist eine große Willkür. Politiker sollten die Höhe ihres Gehaltes nicht mehr selbst bestimmen.

Was die meisten BürgerInnen denken, verrieten sie der taz: „Mir fällt spontan kein Thema ein“, war eine wirklich repräsentative Reaktion auf die gute Nachricht, genau wie: „Keine Zeit“.