Arsch des Todes

■ Die neue „Subbühne“ verwandelt einen Bunker in eine Gedenkstätte

Abgebröckelte Stufen, von rot- weißen Bändern abgesperrt, unten dann ein nasser, dunkler Betonraum. Zwei Röhren gehen parallel von ihm ab, 16 Meter lang, übermannshoch, verbunden nur durch einen kleinen, schmalen Durchgang. In diesem Röhrenbunker saßen während des Krieges bei Luftalarm oft 200 Menschen, im Durchgang als einziger Vermittler zwischen den Menschen hier und dort der Luftschutzwart. Nun soll an diesem Ort anläßlich des Kriegsendes vor 50 Jahren ein Denkmal anderer Art entstehen: die Subbühne. Untertitel: Ein anderes Mahnmal für Wolfgang Borchert.

Initiatoren sind die beiden Hamburger Künstler Michael Batz und Gerd Stange. Stange hatte den Röhrenbunker 1990 bei der Installation seines Werkes Verhörzelle entdeckt. Die unterirdischen Schutzräume, kurz vor Wolfgang Borcherts Geburtshaus Lokstedter Weg/Ecke Tarpenbekstraße gelegen, sind seit Jahren ungenutzt geblieben. „Wie so vieles, was mit dem Krieg zu tun hat“, sagt Michael Batz, „werden derartige Stätten vergessen gemacht, eingezäunt, sacken aus dem Bewußtsein in ein urbanes Subarchiv.“

Die beiden Künstler wollen den offiziellen Veranstaltungen etwas entgegensetzen, sie wollen „den Arsch des Krieges zeigen“. „Junge Leute können sich nichts unter Krieg vorstellen. Hier können sie einen Einstieg zu eigener Erkenntnis, zur sinnlichen Erfahrung machen“, erläutert Gerd Stange. In Zusammenarbeit mit dem Museumspädagogischen Dienst und dem Stadtteilarchiv Eppendorf entsteht ein Erlebensraum, in dem für Mai verschiedene Veranstaltungen geplant sind. Zeitzeugen, die während des Krieges in diesem Zwischenreich des Todes ausharren mußten, werden zu Gesprächen anwesend sein, Künstler, Autorinnen und Theaterleute werden die Räume nutzen, um sich mit aktuellen Themen wie Gewalt, Macht, Erinnern und Vergessen auseinanderzusetzen. Geschichte soll in die Gegenwart übersetzt werden.

Denkmale, die oft genug ausgegrenztes Zurückdenken sind, Platzhalter, die oft genug ein zweites Mal diejenigen töten, an die sie erinnern sollen, sind gerade für Jugendliche zu kryptisch. Gerd Stange, der schon bei seinerVerhörzelle mit Kindern der Wolfgang-Borchert-Schule zusammengearbeitet hat, weiß, daß diese mit Zitaten wenig anfangen können. „Sie brauchen Unmittelbarkeit, wollen selber entdecken.“ Veranstaltungen von Kindern für Kinder, auch das ein Ziel der Subbühne.

Heute um 17 Uhr findet an der Verhörzelle ein stilles Gedenken anläßlich des Todestages der Geschwister Scholl statt. Anschließend ist die erste öffentliche Begehung der Subbühne möglich.

Heike Schulte