Wenn das Taxengericht tagt

■ Die rauhen Sitten der Selbstkontrolleure Von Stefan von Leesen

Taxifahrer leben gefährlich. Doch nicht nur Raubüberfälle drohen, Ungemach kann auch aus den eigenen Reihen kommen. „Ich wurde regelrecht geächtet und gejagt“, weiß Bernd Jäger (Name geändert), ein Hamburger Musikstudent, zu berichten: „Ich hatte mich für einen Auftrag beworben und sollte in sechs Minuten beim Kunden sein.“ Als der 32jährige dort wenig später eintraf, warteten bereits zwei Kollegen auf ihn. „Sie sind 23 Sekunden überfällig“, behaupteten die beiden, Jäger habe die in der Funkordnung festgelegte Höchstwartezeit überschritten. Eine Eintragung war die Folge: Jäger mußte sich vor dem Beirat – eine Art Taxengericht, das jeder Betrieb eingerichtet hat – verantworten.

„Ich kam mir vor wie ein Schwerverbrecher“, beschreibt Jäger seine Gefühle, als er vor das Tribunal trat. Der Beirat – auch dort sitzen Kollegen – quetschte Jäger aus „wie eine Zitrone“. Nach der Anhörung mußte er den Raum verlassen, ehe nach fünfminütiger Beratung das Urteil verkündet wurde: 30 Mark erschien den „zwölf Geschworenen“, die in diesem Fall nur drei selbständige Unternehmer waren, als Strafe angemessen. Ein vergleichsweise milder Spruch der Freizeit-Richter: Bei schwerwiegenderen Verstößen waren es schon einmal 500 Mark.

Inzwischen haben jedoch auch professionelle Hilfssheriffs den Einstieg in die Taxenzentralen geschafft. Ausgerüstet mit einem speziellen Computer wachen diese Ersatz-Ordnungshüter darüber, daß Verstöße gegen die Funkordnung sofort gemeldet werden. Vor allem Taxifahrer, die in fremden Revieren wildern, sprich: sich für Fahrten anbieten, die eigentlich anderen zustehen, haben die freiwilligen Kontrolleure auf dem Kieker.

Das Auge soll dazu beitragen, daß jeder Fahrer ein sauberes Auto hat. Prangt ein Schmutzfleck auf der Kiste, kann deren Besitzer vor den Schiedsausschuß bemüht werden, eine ähnliche Institution wie der Beirat. Auch hier sind die Sitten meist rauh, die Sanktionen mitunter hart: Die Hobbyjuristen können im Extremfall sogar für den Ausschluß des Fahrers sorgen.

Ganz zu Recht, findet einer der Hardliner: „Taxifahrer sind unmündige, unselbständige Menschen, die nur durch ein dichtes Regelwerk gebändigt werden können.“

Das ist zwar in der Szene nicht unbedingt Konsens, doch selbst das taxi, einziger Hamburger Alternativ-Betrieb, kommt inzwischen nicht mehr ohne Ordnungsrat aus. „In der Anfangszeit kannten sich alle Fahrer, durch die Vergrößerung wuchs das Mißtrauen“, versucht taxianer Mario Menzerolf die Einführung des Kontollgremiums zu rechtfertigen. In der Tat ist diese Institution im Vergleich zu den anderen Funkzentralen eher ein lockeres Beisammensein. Strafen überschreiten nur selten die Grenze von 20 Mark.

Aber etwas anderes hätte man vom dem kleinen Betrieb an der Humboldtstraße auch nicht erwartet. Wer ein antirassistisches Telefon betreibt, kann ja schlecht die eigenen Mitarbeiter total überwachen.