Das große Harakiri

■ Mit ihrem Votum wickelt sich die FDP selber ab

Es wird nichts nutzen: Weder wird das Überleben der FDP gesichert sein, weil fast zwei Drittel ihrer Mitglieder eindeutige Beschlüsse mißachteten und für den Großen Lauschangriff votierten, noch wird dieser Große Lauschangriff selbst mehr Effizienz in die Verbrechensbekämpfung bringen.

Durch den rechtspolitischen Schwenk der FDP wird zum einen ohne Not ein Pfeiler der Verfassung untergraben. Zum ersten Mal wird der (wirklich nicht neue) Ruf nach schärferen Gesetzen mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung gekoppelt. Um den Großen Lauschangriff auf private Wohnungen zu ermöglichen, muß eine fundamentale Norm des Grundgesetzes, die Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13, zugunsten des heimlichen Lauschangriffs aufgebrochen werden. De facto wird damit ein Grundrecht unter Polizeivorbehalt gestellt. Nach dem Votum der FDP-Basis steht nun der Fahrplan fest: Auf Antrag von Innenminister Manfred Kanther wird in Kürze eine ganz große Koalition aus Sozialdemokratie, Christdemokraten und Liberalen den Artikel 13 aushebeln – im Wissen darum, daß der Große Lauschangriff nicht viel bringt. Es wäre absurd zu glauben, daß sich mafiose Ehrenmänner nach einer Gesetzesänderung weiter in Privatwohnungen treffen, um ihre Verbrechen zu planen, oder daß sie keine technischen Vorkehrungen gegen die potentielle Überwachung treffen. Der Große Lauschangriff, auf die Hirne seiner Befürworter gerichtet, fördert nicht mehr als nutzlosen Aktionismus zutage.

Mit dem Mitgliedervotum verabschieden sich die Liberalen von einem guten Stück bürgerlichen Rechtsbewußtsein und damit auch von ihrem eigenen Bürgerrechtsflügel. Die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger tritt wie angekündigt zurück – mit der Folge, daß der Einfluß der Parteilinken auf nahezu Null gebracht wird. Das wird in der FDP anschließend den Kräften Auftrieb verschaffen, die im Umfeld des früheren Generalbundesanwalts Alexander von Stahl seit längerem für eine rechtsnationalistische Neubestimmung der Partei der Leistungsträger eintreten. FDP-Mitglieder und -Funktionäre, die gesunden Nationalstolz predigen, aber Ausländerfeindlichkeit meinen, gibt es besonders in den Landesverbänden Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hessen mehr als genug. Mit anderen Worten: Den Liberalen droht die „Haiderisierung“ nach österreichischem Vorbild. Für den Fall kann man nur hoffen, daß die FDP um so schneller von der politischen Bühne verschwindet. Wolfgang Gast