„Kinderlieber Familienurlaub“?

■ Eurocamp bittet seine Gäste ganz schön zur Kasse

Sind die Kinder glücklich und zufrieden, erholen sich die Eltern. Unter diesem Tenor vermarktet Eurocamp „kinderlieben Familienurlaub“. Den Kleinen zuliebe wohnt man im Zelt, weil dieses zur „kuscheligen Höhle“ wird, wenn draußen der Regen aufs Dach plattert. Auf dem Campingplatz fühlt man sich so richtig frei, weil kein Schild den Zutritt zum Speisesaal in Badekleidung verwehrt. Kinder sind stolz darauf, allein die Baguettes einzukaufen; keine Straße gefährdet sie. Langeweile kommt nicht auf, immer sind genug Spielkameraden da. Und ein „Spielleiter“ unterhält die Kids schon im Autoreisezug, falls man mit diesem anreist. Das aber müssen „kinderliebe Eltern“ tun, wenn nicht, müssen sie zum Wohle der Kinder zumindest einmal übernachten – in einem Novotel oder Ibis-Hotel. Alles Argumente der Eurocamp- Agenten für Deutschland (und Geschäftsführer der Tesh Travels GmbH) im Sommerkatalog 96.

Seit 1987 die englische Eurocamp-Idee den deutschen Markt erreichte, konnte die Firma die deutschen Gästezahlen in den Jahren 1988 bis 1995 von 6.000 auf 80.000 steigern – Gäste mit im Schnitt zwei Kindern zwischen 4 und 8 Jahren. Ein Drittel sind Akademiker mit entsprechendem Einkommen. Das brauchen sie auch, denn Eurocamp verramscht seine fest installierten, etwa 25 Quadratmeter großen, voll eingerichteten Hauszelte und Caravans nicht „wie der billige Jakob“. Beträgt der niedrigste Basispreis für zwei Erwachsene mit vier Kindern bis zu 4 Jahren 42 DM im Zelt und 79 DM im Caravan, liegt der Hochsaisonpreis bei 117 bzw. 197 DM pro Tag. Laut eigenen Studien haben Eurocamp-Gäste mindestens ein schulpflichtiges Kind, müssen also in der teuersten Zeit verreisen. Hinzu kommt ein Aufpreis von 5 DM am Tag, wenn das Kind älter als vier ist. Dazu die Zuschläge für die jeweiligen Campingplätze von 4,50 bis 18 DM am Tag. Und weil Eurocamp so kinderlieb ist, schlagen sie für ein Kinderset, also Hochstuhl etc., noch mal 4 DM am Tag drauf, fürs Babysitting fallen 6 DM pro Stunde an, nach Mitternacht gar 12 DM, und für ein Juniorzelt – die Kids sollen sich ja wohl fühlen – berappen die Eltern 8 DM extra am Tag. Kostenlos stellt Eurocamp Gesellschaftsspiele zur Verfügung – die liefert auch „Ravensburger“ gratis!

Hinzurechnen muß man noch den Autoreisezug, etwa 1.500 DM, vielleicht eine Fähre (nach Korsika ab 371 DM). Da steht man bei eigener Anreise und einem Zwischenstopp echt günstig da: Die Ibis-Hotels verlangen pro Nacht 129 DM samt Frühstück, Mama, Papa und zwei Sprößlingen bis 16 – Toilette und Dusche im Zimmer! Ob man unter diesen Umständen nicht... In einer Umfrage wurde ermittelt, daß Mütter einem Campingurlaub skeptisch gegenüberstehen.

Das wird sich jetzt ändern. Seit die „Ikea family“ (32 Millionen Kunden besuchen jährlich die Einrichtungshäuser) und der „Volkswagen Club“ („Gute Autos zu bauen reicht heute nicht mehr“) Kooperationspartner von Eurocamp sind und die Kunden mit Treuepunkten, sprich: Bargeld, belohnen, wenn sie ihren Urlaub bei Eurocamp buchen, werden auch die Frauen sich fügen. Elke Backert