Macht und Moral

■ Wie Führungsfrauen politische Kultur verändern: der rot-grüne Berliner Frauensenat in den Jahren 1989/90

Als einen „Meilenstein im Aufstieg des weiblichen Geschlechts zu gleichberechtigter Teilhabe an der Macht“ bezeichnet die Berliner Professorin Barbara Schaeffer- Hegel das „Berliner Feminat“, jene acht Frauen, die 1989/90 mit fünf Männern unter Bürgermeister Walter Momper den rot-grünen Senat bildeten. Was ändert sich, wenn Frauen in der männerbündischen Politik Mehrheit sind? Eine interessante Studie zieht jetzt Bilanz. „Umwerfend“ war das Feminat nicht.

Die patriarchalen Kulturschranken wurden eher bestätigt. Männer normieren Politik durch absolute Kampfbereitschaft, Selbstinszenierung, emotionsfreie Vernunft und Freigestelltsein vom Alltag. Frauen, auch die Berliner Senatorinnen, sehen sich dagegen als „kooperativ, kommunikativ, prozeß- und personenbezogen“ und nicht als „konkurrent, hierarchisch-rigide und karrierebezogen“.

Sie verletzten Tabus, als sie sich „Zeit ließen“, ihre privaten sozialen Netze pflegten. In den Medien blieben die Frauen unterrepräsentiert und stereotypisiert. Wenn sie sich exponierten, waren sie besonders skandalierungsanfällig. Zum Beispiel Anne Klein, die politische Seiteneinsteigerin, Feministin und Lesbe. Oder Anke Martiny, die sich auf ihre Erfahrungen als Mutter und Hausfrau berief, die mit ihrer Vorliebe fürs Marmeladekochen und Flötenspiel nicht hinterm Berg hielt. Beide hatten ihr Geschlecht nicht unsichtbar gemacht. „Zu weiblich“ war das Verdikt. „Politisch inkompetent“ lautete das Urteil. Grotesk, wie dagegen bei Heinrich Lummer Amtsmißbrauch nicht nur mit „Leidenschaft und Potenz“ entschuldigt wird, sondern diese ihn gar als „Vollblutpolitiker“ adelt.

Bestätigt hat sich die Erwartung, daß Frauen die Politik „vermenschlichen“. Unter der Ägide des Feminats hat sich das Arbeitsklima in den Verwaltungen verbessert. Macht und Moral seien bei Politikerinnen Schwestern, schreiben die Autorinnen. Im Gegensatz zu Männern setzen sie auf Kommunikation, verleugnen sich nicht selbst und verzichten auf symbolische Macht.

Die Arbeit von Anne Klein wird trotz ihrer Fehler als erfolgreich bewertet. Die erste feministische Frauensenatorin setzte bundesweit neue Akzente – etwa mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz, der Bundesratsinitiative zum Paragraphen 218 oder dem Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Ihre Reformbemühungen endeten allerdings vor der traditionellen Arbeitsteilung, den Interessen der Wirtschaft und den fiskalischen Prioritäten.

Ob Lesbe, ob Mutter: für Politik zu weiblich

Ein eher dunkles Kapitel sind die Versuche, unter Frauen neue Bündnisse zu schmieden. Das „Hexenfrühstück“ der Senatorinnen diente zwar der Selbsterfahrung, gegenseitiger Hilfe und einer offeneren Diskussionskultur im Senat. Über die Parteigrenzen aber reichte es nicht hinweg. Politische Differenzen zwischen den Senatorinnen führten zu harten Belastungsproben. Auch der „Rat der Frauen“, Versuch eines Bündnisses zwischen Frauenbewegung und „ihrer“ Frauensenatorin, scheiterte. Die „Miniaturausgabe“ der Frauenbewegung gebärdete sich als eigentliche, zudem zerstrittene Regierung und schwächte am Ende „ihre Senatorin“.

Frauen reproduzieren nicht nur patriarchale Macht, sondern sie produzieren auch weibliche Macht, die sie in „ihren“ Lebensdomänen erlernt haben, so wie die Kontrolle von Beziehungen. Manche Ergebnisse des Feminats schreiben die Rollenverteilung und Herrschaftsverhältnisse fort: der Freundinnen-Klüngel, die Umgehung der „untypischen“ kühlen Frau, die Verleugnung eigener Machtinteressen, die personenbezogene Kritik an Personen statt an Sachen, das Niederhalten herausragender Frauen.

Die Studie unterscheidet nicht immer zwischen Sexualität und Weiblichkeit und bei letzterer nicht zwischen traditioneller Rolle, Ideologie und alternativem Konzept. Dadurch wird unscharf, worin die Provokation durch Frauen liegt: ob nun in sexuellen Signalen, traditionell weiblicher Kleidung, Mutterschaft als Programm oder Feminismus. Immerhin, der Tabubruch hat stattgefunden. Der Einzug der Frauen versachlicht und demokratisiert die Macht. Mechtild Jansen

Barbara Schaeffer-Hegel, mit Helga Foster, Helga Lukoschat, Rita Mersman, Silke Ude und Ulla Weber: „Frauen mit Macht. Zum Wandel der politischen Kultur durch die Präsenz von Frauen in Führungspositionen“. Pfaffenweiler 1995, 315 Seiten, 29,80 DM